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Mehr als ein Gerüst

© Peshkova / iStock / Thinkstock

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Bindegewebe im Herz: Mehr als ein Gerüst

Die Forschung zu Bindegewebszellen bei Herz-Erkrankungen wächst in den letzten Jahren extrem schnell. Im bislang wohl umfangreichsten Übersichtsartikel fasst Prof. Dr. Peter Kohl, Wissenschaftlicher Direktor am Universitäts-Herzzentrum Freiburg · Bad Krozingen (UHZ), gemeinsam mit Kollegen des Virginia Tech, USA, und der Goethe-Universität Frankfurt den Stand der Forschung zusammen und gibt ihr neue Impulse.

Lange Zeit galt Bindegewebe als reines Stützgerüst für Muskel- und Gefäßzellen im Herzen. Anfang der 1990er Jahre entdeckte Prof. Kohl, der am UHZ das neu gegründete Institut für Experimentelle Kardiovaskuläre Forschung leitet, dass Bindegewebezellen auch an der Weiterleitung elektrischer Reize im Herzgewebe beteiligt sein können.

Eine der medizinisch auffälligsten Funktionen des Herz-Bindegewebes ist die Vernarbung von Herzgewebe. Dadurch wird das Gewebe zwar strukturell repariert, aber die für den Herzschlag wichtige elektrische Reizweiterleitung kann unterbrochen werden. Als Folge eines Herzinfarkts besteht die Narbe oft dauerhaft, was durch die Reizunterbrechung zu Störungen des Herzrhythmus führt. In anderen Fällen, etwa zur Behandlung von Vorhofflimmern, setzen Ärzte gezielt Narben, um die fehlerhafte Reizleitung zu unterbrechen. Doch häufig sind diese Narben bereits nach wenigen Wochen abgeheilt und sozusagen elektrisch unsichtbar geworden. „Wir möchten verstehen, warum Narben im einen Fall dauerhaft die Reizweiterleitung blockieren und im anderen Fall schnell unsichtbar werden. Diese natürlichen Reparaturmechanismen könnten wir dann nutzen, um Narben bei Vorhofflimmern gezielt zu stabilisieren oder bei Herzinfarkt abzubauen“, sagt Prof. Kohl, der weltweit als einer der führenden Wissenschaftler im Bereich der Biophysik des Herzens gilt.

Von seiner Forschung verspricht sich Prof. Kohl auch wichtige Impulse für die Behandlung von weit verbreiteten Fibrosen. Dabei kommt es zur übermäßigen Vermehrung von Bindegewebe und dadurch zu einer Beeinträchtigung der Herzmechanik. Aktuelle Forschungen haben gezeigt, dass Medikamente wie blutdrucksenkende ACE-Hemmer und den Cholesterinspiegel kontrollierende Statine auch die Vermehrung von Herz-Bindegewebe hemmen. „Aber wir wissen bislang noch nicht, ob das eine Nebenwirkung oder ein wesentlicher Wirkmechanismus ist“, sagt Prof. Kohl. „In jedem Fall ist es wichtig, dass wir lernen, mit – nicht gegen – Reparaturmechanismen von Mutter Natur zu handeln.“

Neues Forschungsinstitut besteht aus sechs Säulen

Der Biophysiker und Mediziner Prof. Peter Kohl kam Ende 2015 vom Imperial College London an das Universitäts-Herzzentrum Freiburg · Bad Krozingen und leitet seither das neu gegründete Institut für Experimentelle Kardiovaskuläre Medizin. Das Institut besteht aus sechs Säulen: im Bereich Bioinstrumentation werden spezialisierte Apparaturen zur Erforschung aktueller Fragen der Herzforschung entwickelt. Die Arbeit der Abteilung 4D-Imaging soll durch die Kombination experimenteller und computergestützter Bildgebung helfen, die Herzstruktur vom einzelnen Molekül bis zum ganzen Organ und seine Funktion im Bereich von Millisekunden bis zu Monaten aufzuklären. In der Sektion Optogenetik entwickeln Wissenschaftler genetisch kodierte, licht-aktivierbare Proteine, mit denen sich die Funktion des Herzens durch Licht steuern lässt. Wie Zellen mechanische Reize wahrnehmen und sich daran anpassen, wird in der Sektion Zellbiophysik untersucht. Die Entwicklung möglichst realistischer Modelle durch Forscher der Sektion Computermodellierung soll helfen, die Herztätigkeit besser zu verstehen, komplexe molekulare Mechanismen zu integrieren, und Wirkprinzipien neuer therapeutischer Ansätze zu überprüfen. Die Sektion Angewandte medizinische Forschung schließt den Bogen zwischen Grundlagenforschung und klinischem Einsatz.

Quelle: Universitäts-Herzzentrum Freiburg · Bad Krozingen


Originalpublikation: Robert G. Gourdie, Stefanie Dimmeler, Peter Kohl: Novel therapeutic strategies targeting fibroblasts and fibrosis in heart disease. Nature Reviews Drug Discovery (2016)

DOI: 10.1038/nrd.2016.89

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