Branche
on
Impfstoffe.

Eine neue Klasse von auf Nanoteilchen basierenden Impfstoffen könnte in einigen Jahren helfen, gegen Krebs zu impfen. © Esben_H / iStock / Getty Images Plus

|

Krebsforschung: Neue Impfstoffklasse soll Tumorzellen abtöten

Eine Impfung als Tumortherapie – mit einem Impfstoff, der aus einer Gewebeprobe des Patienten individuell erstellt wurde und das körpereigene Immunsystem auf die Krebszellen „ansetzt“: Die Basis für diese langfristige Vision konnte ein Forschungsteam des MPI für Polymerforschung und der Universitätsmedizin Mainz, insbesondere der Fachbereiche Immunologie und Hautklinik, nun legen.

„Wir haben eine neue Klasse von Impfstoffen implementiert, die eine effiziente Alternative zu den mRNA-Impfstoffen bilden könnte“, sagt Prof. Dr. Lutz Nuhn, bisher Gruppenleiter im Arbeitskreis von Tanja Weil am MPI für Polymerforschung und seit kurzem nun auch Professor für Makromolekulare Chemie an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg.

Wichtig ist dies unter anderem für Menschen, bei denen die Erzeugung von Proteinen bei Impfung mit mRNA-Vaccinen – also solchen wie sie teilweise gegen Corona in den Einsatz kommen – gestört ist und bei denen diese Impfungen daher nur bedingt wirken.

Der Hauptgrund jedoch: Sollen Impfungen gegen Krebs eines Tages an der Regel sein, müssen verschiedene wirksame Strategien erforscht werden, um spezifische Immunzellen mit wesentlichen Schlüsselinformationen zu versorgen.

Bindung eines Moleküls an Polymer-basierte Nanoteilchen

Die neuartige Impfstoffklasse besteht aus zwei Komponenten: Zum einen aus dem Antigen, das spezifisch für die Tumorzelle ist und vom Immunsystem quasi als „Feind“ erkannt werden soll, zum anderen aus dem Immunaktivator – einem „Scharfmacher“, der das Immunsystem wachrüttelt.

Als Immunaktivator nutzen die Forscher*innen das Derivat eines chemischen Moleküls, das von Sunil A. David in den USA entdeckt wurde und im indischen Coronaimpfstoff Covaxin bereits erfolgreich eingesetzt wird. Für sich genommen ist dieses Molekül zu aktiv und potent und würde heftige Entzündungsreaktionen im ganzen Körper hervorrufen.

Aus diesem Grund bindet das Forscherteam es an einen Träger an – genauer gesagt an Polymer-basierte Nanoteilchen, die eine gelartige Konsistenz haben, biologisch abbaubar sind und die Wirkung des Immunaktivators lokal begrenzen. Diese nanoskaligen Materialien mit Durchmessern unter 100 Nanometer haben etwa die Größe von Viren – die Zellen des Immunsystems erkennen sie daher sehr gut, fressen sie und erwachen auf diese Weise aus ihrem Schlummermodus. Die Nanopartikel eröffnen also einen direkten Weg in das Immunsystem.

Und: „Über die Anbindung an Nanopolymere konnten wir die Immunreaktion auf das gewünschte Maß drosseln“, erläutert Nuhn.

Erste vielversprechende Studien

Damit die Impfung zielgerichtet den Tumor angreift, muss man wissen: Was unterscheidet das Tumorgewebe von gesundem Gewebe – welche speziellen Antigene befinden sich also am Krebsgeschwür? Dies kann durchaus patientenspezifisch sein. „Wird ein Tumor im Anfangsstadium diagnostiziert, beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, um die patientenindividuelle Impfung möglichst schnell herzustellen“, erklärt Nuhn.

Für die Entwicklung der neuen Impfstoffklassen nutzen die Forschenden zunächst ein Modellantigen: Sie haben verschiedene Tumore generiert, die dieses Modellantigen tragen – entweder auf der Oberfläche oder im Inneren. Erste Studien sind vielversprechend: Die T-Zellen, die durch den Impfstoff aktiviert werden, töten nur Tumorzellen ab, die das Antigen auf ihrer Oberfläche oder sogar im Inneren tragen. Gesundes Gewebe dagegen wird nicht beeinflusst.

„Der Polymer-basierte Nanoträger ist ein hilfreicher Werkzeugkasten, um antigenspezifische Impfungen weiter zu bewerten und weitere impfstoffbasierte therapeutische Konzepte gegen Krebs zu entwickeln“, ist Nuhn überzeugt. Eines muss jedoch gesagt sein: Bis solche Impfstoffe Patienten von einem Tumor befreien können, sind noch etliche Jahre weitere Forschung vonnöten. Auch werden sich nicht alle Krebsarten durch eine Impfung bekämpfen lassen.

Quelle: Max-Planck-Institut für Polymerforschung


Publikation: Hobernik, D. et al.; Systemically Administered TLR7/8 Agonist and Antigen-Conjugated Nanogels Govern Immune Responses against Tumors; ACS Nano, 2022; DOI:10.1021/acsnano.1c10709

Newsletter abonnieren

Newsletter Icon MTA Blau 250x250px

Erhalten Sie die wichtigsten MT-News und Top-Jobs bequem und kostenlos per E-Mail.

Mehr zum Thema

Petrischale und rote Blutzellen
T-Zellen und Krebszellen

Das könnte Sie auch interessieren

Petrischale und rote Blutzellen
MRT-Aufnahme für Erkennung neurologischer Erkrankungen
Ribonukleinsäure und Proteine