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Die Leber stellt Gallenflüssigkeit her, die im Darm zur Verdauung benötigt wird. © Mohammed-Haneefa-Nizamudeen / iStock / Getty Images Plus

Druck in Gallenkanälchen: Wie Gallenstau das Lebergewebe beeinflusst

Dresdner Forscher bringen einen übermäßigen Druck im Gallentransportnetz der Leber mit der Bildung von Leberzellrosetten, die bei vielen Lebererkrankungen zu beobachten sind, in Verbindung.

Die Leber stellt Gallenflüssigkeit her, die im Darm zur Verdauung benötigt wird. Ein Netzwerk aus mikroskopisch kleine Gallenkanälchen durchzieht die Leber und leitet die Galle ab. Wenn der Abfluss der Galle in den Darm verstopft ist, sammelt sie sich in der Leber und kann zu schwerwiegenden Lebererkrankungen führen. Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden haben gemeinsam mit Experten des Uniklinikums Carl-Gustav-Carus (UKD) und dem Universitätsklinikum Oslo in Norwegen herausgefunden, dass hoher Druck in den Gallenkanälchen die Struktur des Lebergewebes verändert.

Sie sahen, dass erhöhter Druck zum Verschwinden der „apikalen Schotte“ führt – Strukturen, die die Kanälchen verstärken. In der Folge vergrößern sich die Gallenkanälchen zu Leberzellrosetten, die bei vielen Lebererkrankungen zu beobachten sind. Diese Studie zeigt, dass Druck eine mögliche gemeinsame Ursache für verschiedene Lebererkrankungen mit Gallenstau ist, und trägt somit zu einem besseren Verständnis von Lebererkrankungen bei.

Überdruck im System

Die Forschungsgruppen unter der Leitung von Prof. Marino Zerial am MPI-CBG und Prof. Jochen Hampe am UKD in Dresden in Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum in Oslo haben in ihren Studien erste Hinweise darauf gefunden, dass eine Gallenstauung in den mikroskopisch kleinen Gallenkanälchen zu einem Überdruck im System führen kann. Auf Dauer könnte dieser Überdruck zu krankhaften Veränderungen des Lebergewebes und somit zu Lebererkrankungen wie die primär sklerosierende Cholangitis (PSC) und die primär biliäre Cholangitis (PBC) führen.

Ein genauer Blick in die Gallenkanälchen mit hochauflösenden Mikroskopen zeigt, wie das Mikrozirkulationssystems einer Leber auf Druck reagiert: Hepatozyten bilden querverlaufende Verbindungen, die als „apikale Schotte“ bezeichnet werden und die Gallenkanälchen stabilisieren. Doch wenn der Druck in den Gallenkanälchen zu hoch wird, beginnen diese stabilisierenden Stützen der Hepatozyten nachzugeben. Dies führt zur Erweiterung der Kanälchen und zur Bildung neuer Strukturen, den Leberzellrosetten.

Querschnitte der Gallenkanälchen

Seit Jahrzehnen werden in der Diagnose von cholestatischen Lebererkrankungen sogenannte Leberrosetten verwendet, um diese Erkrankungen zu erkennen. Diese Leberzellrosetten – krankhaft veränderte Leberzellen, die wie Rosenblätter um eine kleine Öffnung angeordnet sind – können im Gewebeproben erkannt werden. Warum sich diese Strukturen bilden, war bisher jedoch unklar.

Dank modernster Fluoreszenzmikroskopie-Verfahren konnten die Forscherinnen und Forscher nun erkennen, dass es sich bei den Leberzellrosetten um Querschnitte der Gallenkanälchen handelt, in denen der Überdruck aufgrund der Gallenstauung entsteht. Damit lösen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Rätsel, um die Ursachen der Bildung dieser Strukturen, die als Erkennungsmerkmal von Gallenstauung im Lebergewebe gelten. Diese deutet auf einen direkten Zusammenhang zwischen erhöhten Druck in den Gallenkanälchen und cholestatischen Lebererkrankungen hin und trägt dazu bei, diese Krankheiten besser zu verstehen.

Potentielle Markerstruktur

Carlotta Mayer, Erstautorin der Studie erklärt: „Wir sehen Leberzellrosetten bereits in frühen Stadien der PSC im Gewebe. Damit sind sie potentielle Markerstruktur, die für eine frühe Diagnose der PSC und anderer Lebererkrankungen genutzt werden kann.” Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass der Überdruck in den Gallenwegen möglicherweise auch bei anderen Lebererkrankungen, wie beispielsweise Hepatitis, eine Rolle spielen könnte. Dies könnte neue Perspektiven für die Erforschung dieser Erkrankungen eröffnen.

„Diese Arbeit ist ein hervorragendes Beispiel für die Notwendigkeit von interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Medizin und Zellbiologie. Wir werden nun die molekularen Mechanismen erfolgen, die zur Bildung dieser Leberrosetten führen, um neue Perspektiven für die Behandlung zu finden “, betont der Leiter der Forschungsgruppe, Prof. Marino Zerial.

Quelle: Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik


Originalpublikation: Carlotta Mayer et al.;  Apical bulkheads accumulate as adaptive response to impaired bile flow in liver disease; EMBO Rep, Art. No., 2023, DOI: 10.15252/embr.202357181

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