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Wie Immunzellen die entzündliche Fettleber-Erkrankung vorantreiben

Fettleibigkeit ist in der westlichen Welt extrem verbreitet, und 90 Prozent der Betroffenen zeigen dabei Anzeichen einer Leberverfettung. © Dr_Microbe / iStock / Getty Images Plus

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Gewebeschäden: Wie Immunzellen die entzündliche Fettleber-Erkrankung vorantreiben

Ein bestimmter Typ der zum Immunsystem zählenden dendritischen Zellen ist bei Mäusen und Menschen verantwortlich für die Gewebeschäden, die bei der Leberentzündung NASH (nicht-alkoholische Steato-Hepatitis) auftreten. Die dendritischen Zellen stiften T-Zellen zu aggressivem, entzündungsförderndem Verhalten an. Dies entdeckten nun Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum gemeinsam mit Kollegen von israelischen Forschungseinrichtungen. Bei Mäusen lindert eine Blockade dieser dendritischen Zellen die Krankheitssymptome. Ein solcher Ansatz könnte auch verhindern, dass sich bei NASH-Patienten schwere Leberschäden entwickeln.

Fettleibigkeit ist in der westlichen Welt extrem verbreitet, und 90 Prozent der Betroffenen zeigen dabei Anzeichen einer Leberverfettung. Wenn die Menschen ihren ungesunden Lebensstil dauerhaft beibehalten (hochkalorische Nahrungsaufnahme, sitzende Lebensweise), kommt es bei etwa einem Fünftel der Betroffenen zu einem Absterben der Leberzellen und in der Folge zu einer Leberentzündung, die als NASH (nicht-alkoholische Steato-Hepatitis) bezeichnet wird. NASH kann Leberfibrose, lebensbedrohliche Leberzirrhose und Leberkrebs nach sich ziehen.

Neben ihren bekannten Aufgaben beim Stoffwechsel und bei der Entgiftung hat die Leber auch eine strategische Funktion bei der Immun-Überwachung unseres Körpers: Sie stellt die vorderste Abwehr-Front gegen alle mikrobiellen Bestandteile oder Nahrungsmitteltoxine dar, die aus dem Darm über die Pfortader in den Körper gelangen. Um diese Aufgabe zu bewältigen, patrouilliert eine ganze Armada verschiedener Immunzellen durch die Leber.

Hinweis kommt von Labormäusen auf „Junk Food“

„Wir wollten wissen, welche Immun- bzw. Entzündungszellen in der Leber eine NASH und die damit verbundenen Gewebeschädigungen antreiben“, sagt Mathias Heikenwälder vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Die DKFZ-Forscher gingen nun gemeinsam mit Kollegen vom Weizmann Institute of Sciences und vom Sheba Medical Center in Israel dieser Frage nach. Dazu analysierten sie, wie die Zusammensetzung der Immunzellen in der Leber mit dem Grad der NASH-bedingten Gewebeschädigung zusammenhängt. So konnten sie einen bestimmten Typ von Immunzellen identifizieren, der das Fortschreiten der Erkrankung fördert, sowohl in Mäusen als auch beim Menschen.

Um das Immunsystem bei NASH zu untersuchen, fütterten die Wissenschaftler Labormäuse mit einer Diät, der es an essentiellen Nährstoffen mangelte, die aber mit Fett und Cholesterin angereichert war, vergleichbar unserem „Junk Food“, und beobachteten die Entwicklung von NASH. Dabei untersuchten sie die Leber-Immunzellen per Einzelzell-RNA-Sequenzierung und fanden heraus, dass sich bei NASH ein bestimmter Zelltyp, die sogenannten dendritischen Zellen vom Typ 1 (oder cDC1), in außergewöhnlich hoher Zahl in der Leber ansammelt.

Dendritische Zellen induzieren aggressives Verhalten von T-Zellen

Dabei handelt es sich nicht um ein reines Maus-Phänomen. Auch in Gewebeproben, die Patienten bei Leberbiopsien entnommen wurden, fanden die Forscher: Je höher die Anzahl der cDC1, desto stärker ausgeprägt waren die NASH-typischen Leberschäden. Haben die cDC1 tatsächlich einen Effekt auf die Leberpathologie? Dazu analysierten die Forscher auf zwei Wegen. Sie untersuchten Mäuse, die genetisch so verändert waren, dass ihnen cDC1 fehlen. Außerdem blockierten sie cDC1 in der Leber durch spezifische Antikörper. In beiden Versuchsansätzen war niedrigere Aktivität der cDC1 mit einer Linderung der Leberschäden verbunden. Normalerweise überleben dendritische Zellen nur wenige Tage und müssen laufend vom Immunsystem ersetzt werden. Die Forscher entdeckten nun, dass die NASH-bedingten Gewebeschäden das blutbildende System im Knochenmark modulieren, so dass sich die Vorläufer der cDC1 häufiger teilen und mehr Nachschub bilden.

Bei einer normalen Immunreaktion suchen dendritische Zellen die Organe nach immunologischen Auffälligkeiten ab und wandern dann zu den benachbarten Lymphknoten, den Kommandozentralen der Immunreaktion, um diese Informationen an die T-Zellen weiterzuleiten. Das deutsch-israelische Team entdeckte nun, dass die cDC1 bei einer NASH in den für die Leber zuständigen Lymphknoten T-Zellen zu entzündlichem und aggressiveren Verhalten anstiften, das Leberschäden verursacht und die Erkrankung verschlimmert. „Diese autoaggressiven T-Zellen konnten wir erst vor kurzem als verantwortlich für die Leberschädigung bei einer NASH identifizieren, nun überblicken wir auch, wer sie zu diesem schädlichen Verhalten antreibt“, sagt Mathias Heikenwälder.

cDC1 als wichtiger Akteur

Nachdem sich die cDC1 als wichtiger Akteur beim Voranschreiten der NASH herausgestellt haben, könnte eine gezielte Manipulation dieser Zellen einen neuen Weg darstellen, die Leberentzündung und ihre schwerwiegenden Folgen zu behandeln. „Wir erkennen immer besser, dass bestimmte Zellen des Immunsystems an der Entstehung verschiedener Krankheiten beteiligt sind, darunter Krebs, Fettleibigkeit, Diabetes oder Alzheimer. Die Medizin verfolgt daher zunehmend Ansätze, das Immunsystem zu modulieren und mit Wirkstoffen in eine gewünschte Richtung zu lenken. Ein solcher Ansatz könnte auch funktionieren, um bei NASH-Patienten schwere Leberschäden zu vermeiden“, erklärt Heikenwälder.

Eran Elinav, ebenfalls Letztautor der Studie, der Forschungsgruppen am DKFZ und am Weizmann Institut leitet, hält es für sehr wahrscheinlich, dass auch die Bakterien des Darms die Immunzellen in dieser Erkrankung beeinflussen: „Wir wollen nun herausfinden, wie der Darm bzw. seine bakteriellen Bewohner die Aktivierung der Immunzellen in der Leber beeinflusst. So hoffen wir, neue Behandlungsstrategien entwickeln zu können.“

Leberkrebs als Paradebeispiel

Leberkrebs ist das Paradebeispiel für eine durch chronische Entzündungen ausgelöste Krebserkrankung. Bis vor wenigen Jahren wiesen epidemiologische Untersuchungen chronische Infektion mit Hepatitisviren als Haupttreiber der Erkrankung aus. Doch in den letzten Jahren ist der Anteil der stoffwechselbedingten Tumoren stetig gestiegen. Forscher suchen daher dringend nach Wegen, diese verhängnisvolle Kaskade der Adipositas-bedingten Krebsentstehung besser zu verstehen, um therapeutisch, oder besser noch präventiv, eingreifen zu können.

Für diese Untersuchungen müssen sie herausfinden, wie die Adipositas, die sich systemisch auf den gesamten Organismus auswirkt, in die Stoffwechselvorgänge und Immunreaktionen in der Leber eingreift. Dieses komplexes Geschehen lässt sich nicht in der Kulturschale nachstellen, sondern erfordert die Beobachtungen des gesamten Organismus. Untersuchungen an Mäusen sind besonders geeignet, da vergleichsweise einfach einzelne molekulare Treiber des Entzündungsvorgangs genetisch beeinflusst und damit ihre genaue Rolle identifiziert werden kann.

Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum


Originalpublikation: Aleksandra Deczkowska et al.; XCR1+ type 1 conventional dendritic cells drive liver pathology in non-alcoholic steatohepatitis; Nature Medicine, 2021, DOI: 10.1038/s41591-021-01344-3

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