In sogenannten informellen Runden fanden Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Labore und Schulen der Berufsausbildung statt, um die regional unterschiedlichen Bedingungen und Herausforderungen der MTL-Ausbildung besser zu verstehen. Um belastbare Daten und Fakten zur Ausbildungs- und Beschäftigungssituation MTL zu erhalten, wurde zu Beginn der reformierten MTL-Ausbildung Anfang 2023 zudem eine deutschlandweite Online-Umfrage (2) unter den Mitgliedslaboren des ALM e.V. durchgeführt, deren Ergebnisse nun vorliegen. Im Folgenden möchten wir diese und unsere aktuellen Erkenntnisse vorstellen.
Umfrage des ALM e.V. unter den Mitgliedslaboren zur Fachkräftesituation MTL (Stand 31.03.2023)
Zur Teilnahme aufgerufen waren die 164 Mitgliedslabore des ALM e.V. Davon haben 139 Labore die Umfrage abgeschlossen, was einer Teilnahmequote von 84,76 Prozent entspricht. Die nachfolgenden Prozentangaben wurden im Hinblick auf Laborgruppen bereinigt, nicht plausible Datensätze wurden entfernt.
Bewerbungen und Ausbildungsplätze 2023 und Forecast 2024 (Abb. 1)
Insgesamt 833 Bewerbungen sind bei den deutschlandweit befragten Laboren bzw. deren Kooperationspartnern (Krankenhausträger) für das Ausbildungsjahr 2023 eingegangen. Dem gegenüber stehen 275 verfügbare Ausbildungsplätze, was bedeutet, dass die Anzahl der Bewerber das Ausbildungsangebot um den Faktor 3 übersteigt. Diese Zahlen sprechen gegen die Annahme, dass die Ausbildung bei jungen Menschen flächendeckend zu wenig bekannt ist, selbst wenn man übliche Anteile an ungeeigneten Bewerbungen berücksichtigt.
Im Vergleich zur alten Ausbildungsordnung (326 Plätze jährlich) haben die Labore für 2023 weniger Ausbildungsplätze angeboten (Rückgang um 18,55 Prozent). Dies deutet auf eine zögerliche Haltung gegenüber der neuen Ausbildungsordnung hin. Von den 275 angebotenen Ausbildungsplätzen konnten nur 236 besetzt werden, was bedeutet, dass 14,18 Prozent der ursprünglich angebotenen Ausbildungsplätze für 2023 nicht vergeben wurden.
Eine unzureichende Vermittlung des Berufsbildes in der Öffentlichkeit und in der Konsequenz falsche Annahmen und Vorstellungen bei Bewerber:innen, jedoch auch eine Reihe anderer Faktoren könnten hierbei eine Rolle gespielt haben. Dies könnte dazu geführt haben, dass trotz der 833 Bewerbungen für insgesamt 275 Plätze nicht ausreichend qualifizierte Bewerbungen bei den Laboren bzw. Krankenhäusern eingingen. Dies soll in weiteren Umfragen genauer untersucht werden.
Zuversichtlich sind die Labore, was die Steigerung ihrer Ausbildungskapazitäten betrifft: Für das Jahr 2024 sind 315 Ausbildungsplätze geplant, was einer Steigerung um 14,54 Prozent im Vergleich zu 2023 entspricht und dem Niveau vor der Reform nahekommt.
Limitierende Faktoren der Ausbildungskapazität (Abb. 2)
Anders als angenommen, sind für nahezu drei Viertel der Labore (73,6 Prozent) weder ein Mangel an Praxisanleitenden noch zu wenige Schulplätze limitierende Faktoren für die MTL-Ausbildungskapazität. Beide Faktoren spielen nur für 17,1 Prozent der Labore eine Rolle. Bei 5,7 Prozent der befragten Labore fehlt es an Praxisanleitenden, aber nicht an ausreichenden Schulplätzen, während es bei 3,6 Prozent genau umgekehrt ist.
- In den Laboren herrscht große Unsicherheit in Bezug auf die Umsetzung und Implementierung der Ausbildung. Die Labore fühlen sich allein gelassen.
- Föderalismus: Es fehlen bundeseinheitliche Anforderungen ( „16 verschiedene MTL-Ausbildungen“)
Es besteht Rechtsunsicherheit bei der Anerkennung von Praxisanleitenden, einschließlich der initialen Ausbildung und der jährlichen Weiterbildung. - Es fehlen Handreichungen, Konzepte und Ansprechpartner, insbesondere in Bezug auf ein bundesweit einheitliches verbindliches Curriculum für die praktische Ausbildung.
- Abwartende Haltung: Die Labore haben noch keine Erfahrung mit der neuen Ausbildung und es wird erwartet, dass bisher unbekannte Probleme erst noch auftreten könnten.
- Infrastrukturelle Probleme: Es besteht ein Mangel an Ausbildungsräumen und eingeschränkte Möglichkeiten für Online-Angebote oder Home Learning.
- Kooperationen gestalten sich zum Teil schwierig (Sonderstatus Histologie/Pathologie), Angebote und Einrichtungen sind regional konzentriert.
- Es bestehen personelle Probleme im Allgemeinen und in den Fachbereichen. CTAs und BTAs dürfen beispielsweise nicht an der Praxisanleitung teilnehmen. Zudem sind die Personalkapazitäten für die Praxisanleitung begrenzt, da die verfügbaren MTL(A)-Mitarbeiter in der Routineversorgung gebunden sind.
- Finanzierung noch immer ungeklärt: Die geltenden bundesgesetzlichen Regelungen ermöglichen ambulant tätigen, niedergelassenen Laboren keine direkte Refinanzierung der Ausbildungskosten.
Fachkräftesituation MTL 2023 und Forecast 2024 (Abb. 3)
Zutreffend ist aus Sicht der befragten Labore die Prognose, dass sich der Fachkräftemangel im Bereich MTL weiter verschärfen wird. Schon heute sind mit 339 Vakanzen 6,38 Prozent der Stellen unbesetzt. Für das Jahr 2024 prognostizieren die Labore aufgrund der demografischen Entwicklung, rentenbedingter Austritte und weiterer Abgänge 495 offene Stellen, was einem Anstieg von 46 Prozent im Vergleich zu 2023 entspricht.
Schülerpraktika und Anerkennungsverfahren (Abb. 4)
Schülerpraktika spielen für die meisten Labore eine wichtige Rolle bei der Nachwuchsgewinnung. Dies zeigt sich in den Umfragedaten mit einer Zustimmungsrate von 92,8 Prozent. Die Effektivität dieser sehr früh angelegten Maßnahme zur Rekrutierung von Fachkräften soll genauer untersucht werden.
Eine weitere Möglichkeit, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, besteht darin, ausländische Fachkräfte anzuwerben und zu integrieren. Da ihre Qualifikationen in der Regel nicht dem Umfang und den Inhalten der deutschen Ausbildung entsprechen, ist eine Nachqualifizierung in behördlichen Anerkennungsverfahren erforderlich. Immerhin 68,3 Prozent der befragten Labore führen Anpassungslehrgänge für ausländische Kandidat:innen durch oder organisieren eine Teilnahme. Dabei stoßen die Labore auf bundesweit uneinheitliche Anforderungen und Widersprüchlichkeiten auf Behördenseite, da die Zuständigkeit für Anerkennungsverfahren und Anpassungslehrgänge auf Länderebene liegt.
Angesichts der begrenzten Ausbildungskapazitäten und der demografischen Entwicklung, die den Personalbedarf in den Laboren weiter verstärken wird, wird auch die Anwerbung und Integration
ausländischer Fachkräfte als TOP-Thema in der AG MTL behandelt.
Fazit und weiteres Vorgehen
Im Brief vom 7.12.22 an das BMG (3) nannte der ALM e.V. die Faktoren, welche die Erhöhung der Ausbildungskapazitäten im Bereich MTL behindern, darunter Fachkräftemangel, Mangel an Lehrpersonal und fehlende Finanzierung. Die Ungleichbehandlung bei der Refinanzierung der Ausbildungskosten, die nur für Krankenhausträger gilt, wurde besonders hervorgehoben. Die AG MTL setzt sich weiterhin aktiv für Lösungen ein, um die Interessen der ALM-Mitglieder zu vertreten.
Die Umfrage unter den Laboren sollte dazu beitragen, ein umfassendes Bild der gesamten Situation sowie belastbare Daten zu erhalten. Es sollten Erkenntnisse darüber zu gewonnen werden, wie die AG MTL die Labore bestmöglich unterstützen und ihre Ausbildungsbemühungen effektiv fördern kann. Die Umfrageergebnisse liefern dabei derzeit keine Bestätigung für einen signifikanten Rückgang der Ausbildungsplätze ab 2023 im Vergleich zum alten Ausbildungsmodell.
Die Umfrage und auch die Gespräche in den informellen Runden haben zudem gezeigt, dass mangelnde Bekanntheit der Laborberufe insgesamt und des Berufs der Medizinischen Technolog:in für Laboratoriumsanalytik im Besonderen und in der Folge zu wenige Bewerbungen derzeit offenbar nicht flächendeckend das zentrale Problem sind.
Allerdings sind eine abwartende Haltung in Bezug auf die Umsetzung und Implementierung der neuen Ausbildung sowie in erster Linie organisatorische, infrastrukturelle und personelle Probleme erkennbar. Die länderspezifischen Anforderungen an die Umsetzung und Implementierung der Ausbildung führen zu erheblichen Unsicherheiten. Das schließt Rechtsunsicherheit ein, was beispielsweise die Aus- und Weiterbildung der Praxisanleitenden angeht. Durch den Austausch von Informationen und Erfahrungen können diese Unsicherheiten ausgeräumt und darüber hinaus gemeinsame Standards für die Implementierung und Umsetzung auf bundesweiter Ebene entwickelt werden.
Die AG MTL hat erfolgreich Online-Workshops für die Mitgliedslabore durchgeführt, um Erkenntnisse zur MTL-Ausbildung zu vermitteln. Sie wird auch weiterhin eine Plattform für den Informationsaustausch zwischen den Laboren bieten und Wissen im Workshop-Format weitergeben. Darüber hinaus wird sie die Entwicklung in regelmäßigen Umfragen und Befragungen verfolgen, Erfahrungen sammeln und teilen.
Quelle: ALM - Akkreditierte Labore in der Medizin e.V.
- Starlab International GmbH. Starlab Survey: Karriere statt Barriere. Umfrage unter 2.000 Jugendlichen im Altervon 16 bis 19 Jahren aus Deutschland und dem Vereinigten Königreich (Mai 2021).
- Auch die Schulen der Berufsausbildung wurden aufgerufen, sich an der ALM-Umfrage zu beteiligen. Die Teilnahmequote von nur 18,2 Prozent (12 von 66 angefragten Schulen) lag jedoch deutlich unter den Anforderungen für repräsentative Ergebnisse.
- Brief des ALM e.V. an das BMG vom 7. Dezember 2023: Verschärfung des Fachkräftemangels: Schwerwiegende Faktoren verhindern Erhöhung der Ausbildungskapazitäten im Bereich MTL (PDF)