Menschen mit Depressionen ziehen sich oft zurück und sind körperlich inaktiv. Um die Wirkung von Bewegung zu untersuchen, gewann die Arbeitsgruppe von Karin Rosenkranz 41 Betroffene, die in der Klinik behandelt wurden, für ihre Studie. Die Teilnehmenden wurden je einer von zwei Gruppen zugeteilt, von denen eine ein dreiwöchiges Bewegungsprogramm absolvierte. Das Programm, das vom Team der Sportwissenschaft der Universität Bielefeld um Prof. Dr. Thomas Schack entwickelt worden war, war abwechslungsreich, enthielt spielerische Elemente, hatte aber keinen Wettbewerbs- oder Prüfungscharakter, sondern erforderte die Zusammenarbeit der Beteiligten.
„So wurden gezielt auch Motivation und soziales Miteinander gefördert und Ängste vor Herausforderungen sowie negative Erfahrungen mit körperlicher Aktivität, Stichwort Schulsport, abgebaut“, erklärt Karin Rosenkranz. Die andere Gruppe nahm an einem Kontrollprogramm ohne körperliche Aktivität teil.
Veränderungsbereitschaft stieg – Symptome gingen zurück
Vor und nach dem Programm bestimmte das Studienteam jeweils die Schwere der depressiven Symptomatik wie Antriebs- und Interessenlosigkeit, Motivationsmangel und negative Gefühle. Darüber hinaus wurde die Veränderungsbereitschaft des Gehirns, die sogenannte Neuroplastizität, gemessen. Sie kann mit der transkraniellen Magnetstimulation von außen bestimmt werden. „Die Veränderungsbereitschaft ist wichtig für alle Lern- und Anpassungsprozesse des Gehirns“, erklärt Karin Rosenkranz.
Die Ergebnisse zeigen, dass bei Depressiven die Veränderungsbereitschaft des Gehirns im Vergleich zu Gesunden niedriger ist. Nach dem Programm mit körperlicher Aktivität stieg diese Veränderungsbereitschaft signifikant an und erreichte die Werte von Gesunden. Zeitgleich gingen in der Gruppe die Depressionssymptome zurück. „Je mehr die Veränderungsbereitschaft anstieg, desto deutlicher rückläufig waren die klinischen Symptome“, fasst Karin Rosenkranz zusammen. Bei der Gruppe, die am Kontrollprogramm teilgenommen hatte, waren diese Veränderungen nicht so ausgeprägt.
„Das zeigt, dass es einen Effekt von körperlicher Aktivität auf Symptome und Veränderungsbereitschaft des Gehirns gibt. Inwiefern die Veränderung der Symptome und der Veränderbarkeit des Gehirns kausal miteinander verknüpft sind, können wir aus diesen Daten nicht beantworten“, schränkt die Medizinerin ein. „Es ist bekannt, dass körperliche Aktivität dem Gehirn gut tut, da sie zum Beispiel die Neubildung von Verbindungen von Nervenzellen fördert. Dies könnte durchaus auch hier eine Rolle spielen.“
Quelle: Ruhr-Universität Bochum
Originalpublikation: Wanja Brüchle et al.; Physical activity reduces clinical symptoms and restores neuroplasticity in major depression; Frontiers in Psychiatry, 2021, DOI: 10.3389/fpsyt.2021.660642