Zur Herstellung von sogenannten Tot-Impfstoffen (wie z. B. gegen Grippe-, Polio- oder Hepatitis A-Viren) werden bereits seit den 1950er Jahren toxische Chemikalien wie Formaldehyd verwendet, um die Erreger zu inaktivieren. Durch die zum Teil mehrere Wochen andauernde chemische Behandlung wird ein großer Anteil jener Oberflächenstrukturen der Erreger zerstört, die das Immunsystem nach der Impfung erkennen und entsprechend attackieren soll.
Die so hergestellten Impfstoffe müssen entweder in sehr hohen Konzentrationen verabreicht oder in regelmäßigen Abständen aufgefrischt werden, um einen ausreichenden Schutz zu bieten. Dies erschwert ihren Einsatz insbesondere in ärmeren und strukturschwachen Ländern.
Notwendige Erbsubstanz der Viren zerstört
„Die Inaktivierung durch niederenergetische Elektronenbestrahlung hat das Potenzial ein nächster großer Meilenstein in der Impfstoffforschung zu werden." fasst Projektleiter Dr. Sebastian Ulbert vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI die Vorteile der neuen Technologie zusammen. Seit drei Jahren arbeitet das Fraunhofer-Konsortium an einer alternativen Technologie zur Inaktivierung mittels niederenergetischer Elektronenbehandlung.
Die Projektergebnisse zeigen, dass die Technologie grundsätzlich auf verschiedenste Virusarten (z. B. Polio oder Influenza) sowie andere Erregerarten (Bakterien, Parasiten) anwendbar ist. Durch die Bestrahlung wird die zur Vermehrung notwendige Erbsubstanz der Viren zerstört. Im Gegensatz zur chemischen Inaktivierung bleiben jedoch die für die Immunantwort wichtigen Oberflächenstrukturen erhalten. Die Hoffnung ist, dass der der Körper dadurch deutlich spezifischere Antikörper gegen den Erreger bilden kann und somit besser geschützt ist. Im Ergebnis könnten zur Impfung geringere Dosen eingesetzt werden.
Hocheffiziente Technologie
Der Einsatz dieser Bestrahlungstechnologie zur Entwicklung eines neuen Polio-Impfstoffs wird mit 1,85 Mio. USD durch die Bill & Melinda Gates Stiftung gefördert (Grant Agreement Investment ID: OPP1154635). Das Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP und das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA entwickeln gemeinsam die Grundlagen eines Prototyps für eine automatisierte Bestrahlungsanlage.
Diese experimentelle Basis soll bis zum Herbst 2018 am Fraunhofer IZI in Leipzig installiert werden. Durch die Verwendung von niederenergetischer Elektronenstrahlung entsteht somit eine neuartige, kompakte und hocheffiziente Technologie für die Herstellung von sicheren und kostengünstigen Impfstoffen. Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB arbeitet zusammen mit dem Fraunhofer IZI an der Herstellung und immunologischen Charakterisierung der Erreger.
Quelle: Fraunhofer-Institut für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP