Dazu arbeiteten Zellbiologen und Physiker eng zusammen. Mit der auf Licht basierenden Technik konnten sie erstmals mehrere Bestandteile der Zellen gleichzeitig beeinflussen und Messungen durchführen. Die Zellbiologen um Prof. Dr. Erez Raz beobachten „Urkeimzellen", also die Vorläufer von Spermien und Eiern, bei ihrer Wanderung im sich entwickelnden Zebrafisch. Wie andere Zellen auch bewegt sich eine Keimzelle vorwärts, indem sie sich verformt und kleine Auswölbungen der Zellmembran in Wanderungsrichtung ausbildet.
Hierfür sind die mechanischen Eigenschaften der Zelle und ihrer Umgebung entscheidend. Diese mechanischen Eigenschaften sind bei der Entwicklung von Organismen, aber auch in Krankheitsfällen von Bedeutung, zum Beispiel, wenn Krebszellen wandern und Metastasen bilden. „Wenn eine Zelle sich teilt oder bei einer Erkrankung verändert, können sich auch die mechanischen Eigenschaften von Zellen verändern", sagt Florian Hörner, Erstautor der Studie und Doktorand am Institut für Zellbiologie.
Kombination von Optik und Holographie
Um diese physikalischen Eigenschaften zu untersuchen, brachte die Forschergruppe um Physikerin Prof. Dr. Cornelia Denz eine spezielle Methode ein: Sie nutzten die holographische optische Pinzette. Eine optische Pinzette basiert auf fokussiertem Laserlicht, mit dem kleinste Partikel in einer Zelle oder im Gewebe bewegt, verformt und festgehalten werden können. Der Laser wirkt wie eine „Pinzette" aus Licht. Um mehr als ein einzelnes Partikel gleichzeitig festzuhalten, kombinierten die Forscher die optische Pinzette mit holographischen Verfahren.
Das bedeutet: Durch computerberechnete Hologramme wird der Laserstrahl so geformt, dass unter dem Mikroskop eine Vielzahl an einzelnen optischen Pinzetten entsteht. Um die mechanischen Eigenschaften der Zelle während der Embryonalentwicklung zu untersuchen, injizierten die Wissenschaftler in einem frühen Entwicklungsstadium kleine Kunststoffkügelchen in Zellen von lebenden Zebrafischembryos.
Mit der optischen Pinzette übten die Forscher Kraft auf die einen Mikrometer großen Kügelchen in den Zellen aus und bewegten sie so. Die Untersuchung ihrer Bewegung als Reaktion auf diese Kraft erlaubte es den Forschern, mechanische Eigenschaften der Zellen zu bestimmen. Darüber hinaus war es dank des holographischen Verfahrens möglich, an verschiedenen Orten gleichzeitig Kraft auszuüben – als würden mehrere Hände gleichzeitig verschiedene Strukturen innerhalb der Zellen verformen.
Untersuchungen in anderen Organismen
„Wir haben eine gute Grundlage gefunden, um in Zukunft vielen verschiedenen Fragestellungen hinsichtlich der mechanischen Eigenschaften von Zellen im lebenden Embryo nachgehen zu können, ohne in dessen Entwicklung einzugreifen", resümiert Florian Hörner. Den Forschern gelang es, eine vielseitige Methode aufzubauen, die zukünftig auch für ähnliche Untersuchungen in anderen Organismen genutzt werden kann.
„Letztendlich wollen wir in der Lage sein, die biomechanischen Eigenschaften von Zellen zu bestimmen und zu manipulieren, die für ihr Bewegungsverhalten im lebenden Gewebe relevant sind", sagt Erez Raz.
Quelle: Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Originalpublikation: Raz E. et al.; Holographic optical tweezers-based in vivo manipulations in zebrafish embryos; J Biophotonics, 2017; DOI: 10.1002/jbio.201600226