Blut ist das Elixier des Lebens: Während es durch den Körper zirkuliert, gibt es lebensnotwendige Substanzen wie Sauerstoff und Nährstoffe an Zellen und Gewebe ab. Die einzigen Zellen, die Blut erzeugen können, sind hämatopoetische Stammzellen, auch HSCs genannt. HSCs sind nicht nur für die Produktion roter Blutkörperchen zuständig, sondern auch für Zellen des Immunsystems.
Aus diesem Grund spielen HSCs eine tragende Rolle für das Überleben des Organismus. Im Falle einer Chemotherapie oder einer Stammzelltransplantation sind es HSCs, die das dezimierte System wieder aufstocken können. Sie sind nämlich in der Lage, sich selbst aktiv zu erneuern und sich in verschiedene Arten von Blutzellen zu differenzieren.
Nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt haben, müssen HSCs sehr schnell in ihren ursprünglichen, inaktiven Zustand zurückkehren, sonst droht eine Erschöpfung der eigenen Reserven. Der „Switch" zwischen aktivem und inaktivem Zustand erfordert ein präzise reguliertes Gleichgewicht.
Empfindliches Gleichgewicht
Ein noch so kleines Kippen in Richtung Aktivierung oder Ruhephase kann katastrophale Folgen für den Organismus haben, im schlimmsten Fall sogar zum Tode führen. Manuela Baccarinis Gruppe an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) hat jetzt entdeckt, wie dieses empfindliche Gleichgewicht in HSCs aufrechterhalten wird.
Erstautor Christian Baumgartner erläutert: „Wir wussten bereits, dass ein Gleichgewicht zwischen Aktivierung und Rückkehr in den Ruhezustand besteht. Aber wie das Gleichgewicht gehalten wird und welche Akteure daran beteiligt sind, war bislang unbekannt".
Die Forscher waren nun erstmals in der Lage, die für das Gleichgewicht verantwortlichen intrazelluläre Netzwerke im Detail zu beschreiben.
„Faule“ HSCs mobilisieren
„Zwei zentrale intrazelluläre Signaltransduktionswege, die fast immer zeitgleich aktiviert werden, werden von einer Rückkopplungsschleife koordiniert, welche die HSCs in einem perfekten Gleichgewicht hält. Das Schöne daran ist, dass das System unabhängig vom auslösenden Stimulus durch die gleiche Rückkopplungsschleife wieder runterreguliert wird", erklärt Manuela Baccarini.
Um dies zu beweisen, entfernten die MolekularbiologInnen absichtlich einen der Akteure aus der Rückkopplungsschleife und stellten fest, dass das gesamte Gleichgewicht verschoben war. Dies hatte eine uneingeschränkte HSC-Aktivierung zur Folge, was zur Erschöpfung des HSC-Kompartiment und dadurch zu einem Totalversagen der Produktion der Blutzellen führte.
Inhibitoren dieser Signaltransduktionswege werden derzeit häufig in der Krebstherapie eingesetzt. Die neuen Erkenntnisse könnten dazu führen, dass diese Therapien in der Zukunft auch eingesetzt werden, um „faule" HSCs zu mobilisieren, wie es zum Beispiel bei alternden Organismen der Fall ist.
Quelle: Universität Wien
Publikation: Manuela Baccarini et al.; An erk-dependent feedback mechanism prevents hematopoietic stem cell exhaustion; Cell Stem Cell, 2018; DOI: 10.1016/j.stem.2018.05.003