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Symbolbild Spermienzellen.

Auf ihrem Weg zur Eizelle sind Spermien oxidativem Stress ausgesetzt, der sie in ihrer Funktionsweise schädigen kann. © Irina Shatilova / iStock / Getty Images Plus

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Zellforschung: Wie Spermien sich vor oxidativem Stress schützen

Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und der Universität Leipzig verglich die Lipid-Profile von Spermien im Sinne ihrer Schutzwirkung, also der Reduktion von Oxidationsempfindlichkeit, sowie das antioxidative Potenzial beim Sperma verschiedener Arten. Das Forschungsteam fand heraus, dass es in der Zusammensetzung der Lipide in Spermien und der Samenflüssigkeit große Unterschiede gibt, wobei näher verwandte Arten wie Hausrind, Hausschwein und Pferd Ähnlichkeiten im Lipid-Profil aufweisen.

Damit unterscheiden sich Samenflüssigkeit und Spermien erheblich von Blutplasma und roten Blutkörperchen, bei denen die Lipidzusammensetzung verschiedener Arten relativ einheitlich ist. Die Ergebnisse helfen, die Auswirkungen von oxidativem Stress auf Reproduktionsvorgänge besser zu verstehen und Maßnahmen der assistierten Reproduktion zu verbessern.

Auf ihrem Weg zur Eizelle sind Spermien oxidativem Stress ausgesetzt, der unter anderem die Oxidation von Membranlipiden auslösen und so die Zellen in ihrer Struktur oder Funktionsweise schädigen kann. Anhand von Sperma und Blut von Tierarten, die sich in ihrem Fortpflanzungssystem und in der Art ihrer Ernährung unterscheiden (Hausrind, Hausschwein, Pferd, Afrikanischer Löwe, Mensch) analysierte ein Team aus Spezialist*innen der Reproduktionsbiologie und der Lipidbiochemie die Empfindlichkeit von Spermien und roten Blutkörperchen gegenüber Oxidation sowie die Anhäufung von schädlichen Produkten der Lipidoxidation.

Darüber hinaus untersuchte das Team auch die Schutzkapazität der Samenflüssigkeit.

Ähnliche Lipidprofile

„Wenn die Lipideigenschaften von der Zellfunktion abhängig sind, würde man Unterschiede im Lipid-Profil zwischen Spermien und roten Blutkörperchen erwarten. Bestimmt zuallererst die Ernährung die vorherrschenden Lipide in den Membranen, wäre das Lipid-Profil in beiden Zelltypen einer Art eher ähnlich“, sagt Karin Müller, Wissenschaftlerin am Leibniz-IZW.

„Die Ergebnisse sind wichtig, um Spermieneigenschaften bei noch nicht untersuchten Arten abschätzen und präventive Maßnahmen anpassen zu können, wenn zur Arterhaltung Spermakonservierung und künstliche Besamung zum Einsatz kommen sollen, bei denen der oxidative Stress für die Keimzellen durch den Einfrierprozess nochmal erhöht ist.“

Das Forschungsteam fand heraus, dass die Lipidzusammensetzung von roten Blutkörperchen verschiedener Arten relativ einheitlich ist. In der Zusammensetzung der Lipide in Spermien und Samenflüssigkeit gibt es jedoch große Unterschiede, wobei näher verwandte Arten wie Hausrind, Hausschwein und Pferd Ähnlichkeiten im Lipidprofil aufweisen.

Funktionelle Anforderungen

„Diese Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass die Lipidzusammensetzung nicht durch die Art der Ernährung, sondern durch die Verwandtschaft der Arten und durch funktionelle Anforderungen an die Zellmembranen bestimmt wird“, sagt Ulrike Jakop, ehemals Wissenschaftlerin am Leibniz-IZW.

Einerseits muss die Zellmembran von Spermien eine hohe Flexibilität aufweisen, um zunächst die Bewegung der Keimzellen und später deren Verschmelzung mit der Eizelle zu ermöglichen. Deshalb enthalten Spermienlipide zum Beispiel einen hohen Anteil an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die allerdings besonders anfällig gegenüber oxidativem Stress sind.

Andererseits muss die Stabilität der Spermien bis zur Verschmelzung mit der Eizelle gewahrt bleiben. Löwenspermien, die vom männlichen Partner weit vorne im weiblichen Genitaltrakt abgesetzt werden, haben beispielsweise einen weiten Weg durch verschiedene Abschnitte des Genitaltraktes bis zur Eizelle. Ihre Membranen bestehen aus weniger oxidationsempfindlichen Esterlipiden und Sphingomyelinen mit primär gesättigten Fettsäuren.

Hohe Lysolipid-Konzentrationen beim Menschen

Für Bullenspermien, deren Membranen extrem oxidationsempfindliche, ungesättigte Etherlipide (Plasmalogene) enthalten, haben sich offenbar hocheffiziente Schutzmechanismen im Sperma entwickelt. Wenn Lipide der Spermienmembran oxidiert werden, entstehen unter anderem sogenannte Lysolipide, deren Anhäufung die Integrität der Membran zerstören würde.

„Im Sperma aller untersuchten Arten wird die Ansammlung der schädlichen Lysolipide weitgehend vermieden, indem von vornherein weniger empfindliche Lipide vorkommen, Radikale rechtzeitig eliminiert und oxidierte Lipide schnell abgebaut werden. Interessanterweise wurden insbesondere beim Menschen Proben mit hohen Lysolipid-Konzentrationen im Sperma gefunden, obwohl das Lipid-Profil weniger oxidationsempfindliche Lipide aufweist und die Schutzmechanismen sehr effektiv entwickelt sind“, erklärt Kathrin M. Engel, Wissenschaftlerin an der Universität Leipzig. „Vermutlich verursachen Lifestyle-Faktoren einen hohen oxidativen Stress, der das natürliche Portfolio an Schutzmechanismen überfordert.“

Weitere Untersuchungen werden helfen, individuelle Verschiebungen zwischen oxidativem Stress und schützenden Faktoren bei Mensch und Tier zu verstehen, sowie Maßnahmen der assistierten Reproduktion anzupassen.

Quelle: idw – Informationsdienst Wissenschaft

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