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Wie unsere Nervenzellen arbeiten

Prof. Dr. Dr. Florian Mormann von der Bonner Uniklinik für Epileptologie mit einer Patientin, die Elektroden implantiert bekommen hat. © Rolf Müller / UKB-Ukom

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Hirnforschung: Wie unsere Nervenzellen arbeiten

Im menschlichen Gehirn gibt es Nervenzellen, die auf Landschaften spezialisiert sind und kaum auf Personen, Gegenstände oder Tiere reagieren. Wie diese im Schläfenlappen angesiedelten Gehirnzellen arbeiten, hat nun ein internationales Forscherteam unter Federführung der Universität Bonn an Patienten untersucht, denen Elektroden ins Gehirn eingepflanzt worden waren.

Wo habe ich nur das Auto geparkt? Wie geht’s zum Bahnhof? An welchem Ort habe ich jetzt wieder die Geldbörse liegen lassen? Räumliche Informationen sind unerlässlich, um die Herausforderungen des Alltags zu meistern. Bestimmte Nervenzellen im Gehirn des Menschen sind auf die Verarbeitung solcher Daten spezialisiert.

„Von Untersuchungen mit funktioneller Kernspintomografie ist bekannt, dass die Parahippocampale Place Area (PPA) im Gehirn aktiviert wird, sobald Eindrücke von Landschaften verarbeitet werden“, berichtet Prof. Dr. Dr. Florian Mormann von der Bonner Uniklinik für Epileptologie. Die PPA ist im parahippocampalen Cortex verortet, einer Gehirnstruktur im Schläfenlappen.

Erforschung der PPA

Zusammen mit einem Forscherteam aus den USA, Großbritannien und Israel untersuchte Prof. Mormann diese Struktur auf der Ebene einzelner Nervenzellen. Diese Möglichkeit bot sich, weil insgesamt 24 Epilepsie-Patienten mit ihm zusammenarbeiteten. Um die genaue Lage des Anfallsherdes im Gehirn zu lokalisieren, hatten die Patienten Elektroden implantiert bekommen.

Später sollten die Epilepsie auslösenden Hirnareale möglichst präzise chirurgisch entfernt werden. Die Patienten erklärten sich bereit, sich auch für die Erforschung der PPA zur Verfügung zu stellen. Durch die vorhandenen Elektroden führten die Wissenschaftler Bündel feiner Drähte in den parahippocampalen Cortex ein, die in unmittelbarer Nähe von Gehirnzellen zu liegen kamen. Damit konnten die Forscher nun die Erregung einzelner Nervenzellen messen.

Nervenimpulse bei Landschaften stärker

Während die Elektroden die Nervenimpulse aufzeichneten, bekamen die Patienten Fotos von Landschaften – zum Beispiel Sonnenuntergänge, Wälder oder Flussniederungen – sowie Bilder von Gegenständen, Personen oder Tieren zu sehen. Während bei Letzteren die PPA-Nervenzellen nur eine schwache Erregung zeigten, waren die Ausschläge der Signale bei Landschaftsbildern viel stärker.

Je ausgeprägter der räumliche Hintergrund und je größer die Tiefe der Bilder, umso heftiger feuerten die Nervenzellen. Besonders stark war diese Reaktion, wenn es sich um Außenaufnahmen handelte. Dieses Muster zeigte sich durchweg auch bei mehrfachen Wiederholungen, zufällige Einflüsse lassen sich also ausschließen.

„Wir untersuchten auf diese Weise auch weitere Hirnstrukturen, den Hippocampus und den entorhinalen Cortex, doch nur beim parahippocampalen Cortex zeigte sich eine bevorzugte Verarbeitung von Landschaften“, sagt Prof. Mormann.

Gemeinschaftsleistung von Nervenzellen-Netzwerk

Wie Berechnungen der Wissenschaftler zeigen, wird diese ausgeprägte Erregung durch ein Netzwerk von Nervenzellen ausgelöst. Dabei übernimmt wahrscheinlich jede Gehirnzelle eine bestimmte Aufgabe, indem sie zum Beispiel die Tiefe des Raumes oder den Hintergrund kategorisiert.

„Mit dieser Aufgabenteilung können viel mehr unterschiedliche Zustände beschrieben werden, als wenn die Nervenzellen isoliert arbeiten“, erklärt Prof. Mormann.

Die Wissenschaftler beginnen erst zu verstehen, wie die Gehirnzellen im parahippocampalen Cortex als Team funktionieren. Wie geht das Gehirn bei der Objekterkennung vor? Wie wird ein Gegenstand von der räumlichen Umgebung abgegrenzt? Den Antworten auf diese grundlegenden Fragen sind die Forscher ein Stück näher gekommen.

Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn


Publikation: Florian Mormann et al.; Scene-selective coding by single neurons in the human parahippocampal cortex; Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2016; DOI: 10.1073/pnas.1608159113

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