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Wie wir unser Verhalten flexibel anpassen

Mit dem „Wisconsin Card Sorting Test“ werden Defizite in der kognitiven Kontrolle und der Verhaltensflexibilität diagnostiziert. © ComicSans / iStock / Getty Images Plus

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Neurophysiologie: Wie wir unser Verhalten flexibel anpassen

In unserem Alltag können wir einfach zwischen verschiedenen Rollen und Zielen wechseln. Diese Flexibilität im Verhalten wird durch den menschlichen Frontalkortex ermöglicht. Ein Verlust dieser Fähigkeit führt zu sogenannten Wiederholungsfehlern („perseverative errors“) und ist ein Zeichen für ein rigides Festklammern an vergangenen Zielen.

Die zugrunde liegenden Defizite in der Informationsverarbeitung sowie deren neuronale Grundlagen wurden jetzt von einem Forschungsteam im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) untersucht. Eine von Dr. Jan Gläscher aus dem Institut für Systemische Neurowissenschaften des UKE geleitete Arbeitsgruppe hat in Kooperation mit US-Forschern vom California Institute of Technology und der University of Iowa Patientinnen und Patienten mit Hirnläsionen untersucht.

Sie verwendeten dabei den „Wisconsin Card Sorting Test“, der weltweit am häufigsten verwendete neuropsychologische Test, um Defizite in der kognitiven Kontrolle und der Verhaltensflexibilität zu diagnostizieren. Dabei müssen die Patienten Karten mit einfachen Symbolen auf verschiedene Stapel sortieren, wobei ihnen das Sortierkriterium (Farbe, Anzahl oder Symbol) nicht bekannt ist. Dieses erlernen sie durch das Feedback nach jedem Durchgang. Nach einer Weile ändert sich unangekündigt das Sortierkriterium, und die Patienten müssen nun flexibel zum anderen Kriterium wechseln.

Patienten mit ausgedehnten Frontalhirnläsionen schaffen diesen Wechsel in den Zielkriterien nicht oder nur sehr langsam und begehen Wiederholungsfehler („perseverative errors“). Mittels detaillierter mathematischer Modellierung konnten die Forscher nun genau beschreiben, wie die Informationsverarbeitung im Gehirn dieser Patienten gestört ist. Offenbar wird das negative Feedback bei einem Fehler nicht ausreichend wahrgenommen und ignoriert. Dadurch erkennen die Patienten aber nicht, dass sich die Zielanforderungen (Sortierkriterium) geändert haben – sie sortieren weiter nach dem vergangenen Kriterium und begehen Wiederholungsfehler.

In der Analyse der Läsionskarten der Patienten, die auf den strukturellen MRT-Bildern beruht, zeigte sich: Sowohl die Untergewichtung des negativen Feedbacks als auch die Wiederholungsfehler gingen vor allem mit Schädigungen des rechten Frontal- und Parietalkortex sowie der darunter liegenden Faserverbindungen einher. Diese Erkenntnisse deuten an, dass eine starke Fokussierung auf negatives Feedback und mögliche negative Konsequenzen von Verhalten dazu führen könnten, dass sich diese Patienten im Alltag flexibler auf neue Ziele einstellen können.

Quelle: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf


Publikation: Gläscher J., et al., Model-based lesion mapping of cognitive control using the Wisconsin Card Sorting Test. Nature Communications Volume 10, 20, 2019. DOI: 10.1038/s41467-018-07912-5

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