Immer mehr Bakterien sind resistent gegen Antibiotika. Hunderttausende Menschen sterben laut Studien jedes Jahr an Infektionen mit Antibiotika-resistenten Erregern. Allein der Krankenhauskeim Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA) verursacht zehntausende Todesfälle im Jahr.
Ein Forschungsteam der TUM hat einen Wirkstoff entdeckt, gegen den Resistenzen der MRSA-Keime äußerst unwahrscheinlich sind. „Während klassische Antibiotika entweder die Zellwand oder den Stoffwechsel von Bakterien angreifen, zielen wir darauf ab, Proteintransport und Energiehaushalt der Keime nachhaltig zu schädigen, sodass sie keine Möglichkeit mehr haben, sich zu vermehren und Resistenzen auszubilden“, erklärt Stephan Sieber, Professor für Organische Chemie. Zusammen mit seinem ehemaligen Doktoranden Dr. Robert Macsics hat er ein Start-up gegründet, das den neuen Wirkstoff weiterentwickelt.
Bakterien-Zellwand verdaut sich selbst
Der Grundstein wurde in den Laboren der TUM gelegt. „Das war zunächst mal reine Grundlagenforschung“, betont Sieber. „Wir haben in Kulturen mit Staphylococcus aureus hunderte verschiedener Wirkstoffe getestet und sind dabei auf ein Molekül gestoßen, das diese Bakterien sehr effizient abtötet. Bei diesem Molekül, wir nennen es PK150, haben wir dann im nächsten Schritt die Wirkungsweise untersucht.“ Das Ergebnis: Der Wirkmechanismus von PK150 unterscheidet sich grundlegend von dem herkömmlicher Antibiotika. Statt die biochemischen Prozesse zu unterdrücken, stimuliert PK150 die Ausscheidung von Proteinen in der Zellwand. Wichtige Enzyme werden aus der Zelle herausgeschleust, die Wand beginnt sich selbst zu verdauen. Gleichzeitig wird der Stoffwechsel blockiert, die Zelle kann keine Energie mehr speichern und stirbt. Mutationen mit Resistenzen gegen den Wirkstoff sind aufgrund dieser dualen Wirkweise äußerst unwahrscheinlich.
„Als klar war, dass dieses Molekül ein erfolgversprechender Kandidat für die Entwicklung eines neuen Antibiotikums ist, waren wir uns einig, dass wir den Wirkstoff weiterentwickeln wollten“, erinnert sich Sieber. „Er eignet sich für die Bekämpfung von Staphylococcus aureus und anderer multiresistenter Keime, die eine grampositive, also einlagige Zellwand haben.“ Die Struktur des optimierten Moleküls meldete die TUM 2017 erstmalig zum Patent an, während Sieber und Macsics auf Investor:innensuche gingen. Noch während der Corona-Pandemie gewannen die beiden Forscher nach einem virtuellen Pitch den Boehringer Ingelheim Venture Fonds als Investor.
Unterstützung im TUM Venture Lab
Kurz darauf, 2021, gründeten sie smartbax, eines der ersten Start-ups, das in das neue TUM Venture Lab ChemSPACE aufgenommen wurde. Die TUM Venture Labs sind auf je ein bedeutendes Technologiefeld spezialisiert. Den Gründungsteams bieten sie auf diesem Gebiet spezifische technische Infrastruktur, maßgeschneiderte Ausbildungsprogramme, Expertise für den jeweiligen Markt und eine globale Vernetzung mit der Branche. „Die Möglichkeit, Infrastruktur und Laborfläche des Venture Labs zu nutzen, hat uns sehr dabei geholfen, die ersten Schritte als eigenständiges Unternehmen zu machen“, sagt Macsics, der nach Abschluss seiner Promotion CEO des Start-ups wurde. „Hinzu kommt das Netzwerk des Venture Labs, das uns kontinuierlich hilft, Kontakte aufzubauen.“
Mittlerweile hat smartbax drei feste Mitarbeiter, Stephan Sieber fungiert als wissenschaftlicher Berater. Neben der Weiterentwicklung des Wirkstoffes arbeitet das Unternehmen an weiteren Strategien, um resistente Bakterien auszuschalten. In einigen Jahren sollen die ersten Wirkstoffkandidaten bereit sein für klinische Studien.
25 Nominierte aus aller Welt
Als einen der möglicherweise wichtigsten wissenschaftlichen Durchbrüche des Jahres sieht die Jury von Falling Walls die Arbeit des Teams. Zum Jahrestag des Berliner Mauerfalls richtet die gemeinnützige Falling Walls Foundation immer am 9. November in Berlin den gleichnamigen Science Summit aus, um einer breiten Öffentlichkeit zu zeigen, welche Mauern von der Wissenschaft niedergerissen werden. Die Veranstaltung gilt als eines der wichtigsten Austauschformate zwischen Forschung und Gesellschaft sowie innerhalb der Wissenschaft.
Quelle: Technische Universität München