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Biopsie-Roboter unterstützt Ärzte bei der Diagnose

Um den Tumor besonders genau lokalisieren und diagnostizieren zu können, nutzen die Ärzte eine neue, dreidimensionale Darstellung. © Universitätsklinikum Tübingen

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Prostatakarzinom: Biopsie-Roboter unterstützt Ärzte bei der Diagnose

Um die Prostata genauer darstellen zu können und Tumore besser zu diagnostizieren, werden am Universitätsklinikum Tübingen neuerdings zwei Bilder digital verschmolzen: Ultraschall-Bilder und Aufnahmen aus dem Magnetresonanztomografen (MRT). Diese Entscheidung zu operieren oder nicht wird künftig leichter, da ein neuer Biopsie-Roboter die Ärzte unterstützt.

Eine Spezial-Software errechnet aus den beiden Daten-Sätzen hoch präzise Darstellungen. Diese dreidimensionalen Bilder werden später dazu genutzt, um die Nadel bei der Biopsie zu navigieren. Das funktioniert dank Unterstützung des Roboters sogar millimetergenau. Auf diesem Weg erhalten die Ärzte exakte, aussagekräftige Untersuchungsergebnisse und eine verbesserte Grundlage für die Entscheidung, welche Therapie für den Patienten die beste ist.

Dreidimensional und riesig vergrößert schwebt die Prostata auf dem Computerbildschirm. Mit Mausklicks navigiert sich der Arzt durch ihre Schichten. Normales Prostatagewebe, Tumor und Gefäße – all diese Details aus dem Unterleib eines Patienten lassen sich nun millimetergenau darstellen.

„Mit dieser Technik können wir Prostatakrebs deutlich besser diagnostizieren“, sagt Dr. Stephan Kruck, Oberarzt aus der Urologischen Klinik. Der 37-Jährige hat das Verfahren gemeinsam mit dem Radiologen Dr. Sascha Kaufmann vorangebracht. Auch Oberarzt Kaufmann ist überzeugt: „Das ist ein Quantensprung in der Nutzung moderner Bildgebungsverfahren.“ Ein technischer Quantensprung, der zugleich auch ein echter Durchbruch für Patienten mit Prostata-Krebs ist. Genauere Bilder bedeuten für die Patienten bessere Diagnosen und geringere Risiken. 

„Männer haben wirklich Angst“

Für Männer mit Prostata-Krebs ist das eine besonders gute Nachricht. Denn dieser Krebs ist nicht nur besonders häufig, er wird bei jedem zehnten Mann im Lauf seines Lebens entdeckt. Vor allem macht er vielen Männern Angst – so sehr, dass sie sich entgegen aller Vernunft vor der Vorsorge drücken. Schließlich hat Prostata-Krebs den schlechten Ruf, Männer ihrer Männlichkeit zu berauben: Eine Operation und Therapie dieser Geschlechtsdrüse kann dazu führen, dass Männer impotent werden. „Männer haben wirklich Angst, dass ihr Leben nach so einer Operation völlig verändert ist und dass sie sehr viel Lebensqualität verlieren“, weiß Kruck aus Patientengesprächen. 

Also auf die Operation verzichten? Tatsächlich hat man schon bisher manchen Patienten dazu geraten, den Krebs im Körper zu lassen – immer dann, wenn die Untersuchungen ergeben hatten, dass es sich um kein aggressives Karzinom handelt. Für diese Patienten begann eine Phase der so genannten „aktiven Überwachung“: Regelmäßige Nachkontrollen des Tumors sollte sicherstellen, dass das Risiko beherrschbar bleibt.

Doch die Einschätzung des Tumors barg Risiken. Nicht immer lagen die Ärzte richtig mit dem, was sie über Ausdehnung und Aggressivität des Krebses sagten, was an den bisher ungenaueren Diagnose-Verfahren lag.

Aggressivität des Tumors exakter nachweisbar

Das zeigte sich dann, wenn Patienten nach einer Zeit der Überwachung doch noch operiert wurden: Bei manchen Patienten erwiesen sich die Annahmen über die Ausdehnung und Aggressivität des Tumors nachträglich als falsch, das Risiko war zu niedrig eingestuft worden. Mit regelmäßigen Kontrollen ließ sich das Risiko zwar beherrschen – doch künftig wird das Risiko noch deutlich geringer sein. Denn genau an diesem Punkt bringt das neue Verfahren enorme zusätzliche Sicherheiten.

Es zeigt nicht nur sehr viel exakter die Strukturen der Prostata, es erlaubt außerdem, Biopsien sehr treffsicher zu platzieren. Das bedeutet einerseits: Man kann bei dieser Untersuchung die Proben so millimetergenau in einem Raster entnehmen, dass die exakte Ausdehnung des Tumors eindeutig geklärt wird. Und man kann andererseits bei erneuten Untersuchungen im Raster die Ergebnisse vergleichen und so auch viel exakter nachweisen, ob sich der Tumor zwischenzeitlich aggressiver entwickelt hat.

Beim Biopsie-Verfahren schlagen die Tübinger Urologen und Radiologen gemeinsam einen Weg ein, der weltweit einzigartig ist: Sie lassen sich von einem medizinischen Robotersystem dabei helfen, das Raster für die Biopsie-Nadeln absolut exakt einzuhalten, auf Basis der hochauflösenden Bilddaten. Der Roboter hilft auch dabei, menschliche Fehler oder Zittern auszugleichen.

Eine weitere Besonderheit: Die Tübinger Ärzte führen diese Untersuchung nicht vom Enddarm aus durch, wie es bislang bei Prostata-Biopsien meist üblich war. Zwar kann man vom Enddarm aus die Prostata bequem erreichen, doch dem Patienten drohen nicht unerhebliche Infektionsrisiken durch die Darmbakterien, was bisher mit massiv dosierten Antibiotika verhindert wurde.

Neuer Zugang vom Damm aus

Die Tübinger Mediziner wählen einen anderen Zugang: vom Damm aus, dem Haut-Abschnitt zwischen Hoden und Darmausgang. Die Stelle ist erstens besser steril zu halten, und zweitens können von dort aus einige Regionen der Prostata besser erreicht werden. Man nutzt nur zwei winzige Einstich-Öffnungen. Indem der Winkel der Nadel variiert wird, arbeiten die Ärzte genau im vorgesehenen Such-Raster, der Roboter assistiert. Die Patienten werden währenddessen in eine leichte Narkose versetzt.

„Eine Kurznarkose birgt zwar eigene Risiken“, sagt Oberarzt Kruck, diese seien jedoch durch die Weiterentwicklung der Narkosetechnik sehr selten. Die meisten Patienten seien eigentlich ganz froh, wenn sie nichts von der Biopsie mitbekommen, So Kruck. „Und wir schließen zugleich auch jeden Fehler aus, der durch eine Bewegung des Patienten entstehen könnte.“

Mit der soliden Grundlage dieser Daten können Oberarzt Kruck und seine Kollegen ihre Patienten nun verlässlicher beraten. Es wird für mehr Patienten zu einem gangbaren Weg, eine Prostata-Operation mit all ihren Risiken erst einmal zu verschieben und auf die „aktive Überwachung“ zu setzen. So steht am Ende eine individuelle, personalisierte Therapie-Empfehlung. Und der Patient kann, gut informiert und beraten, seine eigene Entscheidung treffen.

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Universitätsklinikum Tübingen

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