Damit das Training des Tastsinns für alle Teilnehmer vergleichbar war, nutzten die Forscher die erprobte Methode der passiven Stimulation der Finger. Das führt zu einer deutlichen Verbesserung des Tastsinns, wie frühere Studien und der Einsatz in der Therapie zeigen.
Die Tastleistung wurde vor und nach der Anwendung anhand der Zwei-Punkt-Diskriminationsschwelle bestimmt. Dieser Wert gibt an, wie weit zwei Reize voneinander entfernt sein müssen, damit man sie als getrennte Reize wahrnimmt – je geringer die Entfernung, desto besser der Tastsinn.
Kein Lerneffekt nach Cortisolgabe
Während die Placebogruppe die Leistungsfähigkeit ihres Tastsinnes wie erwartet um etwa 15 Prozent steigern konnte, verhinderte die Cortisolgabe bei der anderen Gruppe die Verbesserung des Tastsinnes fast komplett. Kognitionspsychologe Prof. Dr. Oliver T. Wolf: „Unsere Daten zeigen, dass eine einzige Dosis des Stresshormons nicht nur die Erinnerungszentrale im Hippocampus stört, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf die Plastizität von Sinnesarealen des Gehirns hat.“
In vorherigen Studien, bei denen auf Zellebene geforscht wurde, stellten Neurowissenschaftler bereits fest, dass Cortisol die Verstärkung von synaptischen Verbindungen – und damit die Lernfähigkeit des Gehirns – hemmt. Die Forscher um Hubert Dinse vermutet daher, dass auch ihre Ergebnisse durch Veränderungen synaptischer Plastizität verursacht sind.
Auswirkungen auf klinische Anwendung
Die Ergebnisse dieser Studie könnten Auswirkungen auf klinische Anwendungen haben. Kortikosteroide, dazu gehört auch Cortisol, werden sehr häufig in der Behandlung von immunologischen und neurologischen Erkrankungen eingesetzt.
Die gezeigten Auswirkungen auf das Wahrnehmungslernen könnten jedoch auch Rehabilitationsmaßnahmen negativ beeinflussen, da diese auf eben solchen Lernprozessen beruhen. Daher ist es notwendig zu klären, welche möglichen Auswirkungen die klinische Gabe dieser Stoffe auf Lernprozesse im Gehirn hat.
Quelle: Ruhr-Universität Bochum
Originalpublikation: Hubert R. Dinse et al.; The stress hormone cortisol blocks perceptual learning in humans; Psychoneuroendocrinology, 2016; DOI: 10.1016/j.psyneuen.2016.12.002