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COVID-Impfung bei jungen Menschen

Die Meinungen gehen auseinander, wenn es um die Frage geht, ob Kinder und Jugendliche eine Corona-Impfung benötigen oder nicht. © master1305 / iStock / Getty Images Plus

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Interview: COVID-Impfung bei jungen Menschen

Die Europäische Kommission hat den Impfstoff von Biontech/Pfizer für die Altersklasse von 12 bis 17 Jahren zugelassen. Die Ständige Impfkommission (STIKO) will das Impfen von Kindern und Jugendlichen allerdings nicht allgemein empfehlen, da die Datengrundlage noch zu dünn sei. Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) hat dazu bei Dr. Nikolaus Schwerk, Oberarzt in der Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Lungentransplantation, nachgefragt.

Herr Dr. Schwerk, teilen Sie die aktuelle Zurückhaltung der Ständigen Impfkommission in Sachen COVID-Impfung von Kindern?

Diese Frage lässt sich nicht mit einem Satz beantworten. Zunächst muss man sich das Ziel einer flächendeckenden Impfempfehlung bei Kindern in Deutschland, welche ja durch die STIKO ausgesprochen wird, vergegenwärtigen. Durch diese sollen nämlich Infektionen, die bei einem relevanten Anteil zu schweren Erkrankungen oder gar zum Tode der Kinder führen, verhindert und im besten Fall ausgerottet werden. Zusätzlich müssen die Impfstoffe sicher sein, also das Verhältnis von Nutzen und Risiken genau abgewogen werden. Da hat die STIKO eine extrem verantwortungsvolle Aufgabe.

Nun ist es ja glücklicherweise so, dass nur sehr wenige Kinder im Falle einer Infektion mit SARS-CoV-2 schwer erkranken und zu einem Großteil sogar asymptomatische Verläufe zeigen. In Deutschland leben derzeit etwa 13,5 Millionen Kinder von 0 bis einschließlich 17 Jahren. Seit Ausbruch der Pandemie wurden dem RKI 367.914 Infektionen und 14 Todesfälle durch- bzw. im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion bei Kindern von 0 bis 14 Jahren gemeldet (Stand 29.06.2021). Dabei ist zu beachten, dass in dieser Altersgruppe sicher sehr viele Infektionen erst gar nicht erkannt bzw. gemeldet wurden, wir also von einer viel höheren Dunkelziffer ausgehen müssen. Die extrem geringe Zahl schwerer Krankheitsverläufe entspricht auch meinen persönlichen Erfahrungen in unserer Klinik, wo bisher kein Kind an einer SARS-CoV-2-Infektion verstorben ist und in der gesamten Zeit weniger als zehn Patienten, meistens nur mit milden Symptomen, stationär behandelt werden mussten. Man müsste also eine extrem große Kinderzahl impfen, um schwere oder gar tödlich verlaufende SARS-CoV-2-Infektionen zu verhindern. Daher kann ich die Zurückhaltung der STIKO gut nachvollziehen.

Allerdings muss auch eingeräumt werden, dass die vom RKI und der STIKO genannten Risikogruppen bei Kindern in gewisser Weise willkürlich sind. Es ist zwar schon so, dass Kinder mit unterschiedlichsten chronischen bzw. schweren Vorerkrankungen in den bisher publizierten Fallserien schwerer Krankheitsverläufe durch SARS-CoV-2 prozentual überrepräsentiert waren. Das ist aber auch nicht verwunderlich, da Kinder mit einer schweren und/oder chronischen Erkrankung generell ein erhöhtes Risiko für schwer verlaufende Infektionserkrankungen haben. Das war auch schon vor COVID-19 so. Das Risiko ist aber abhängig von der spezifischen Grunderkrankung des Kindes, dem aktuellen Gesundheitszustand, der laufenden Therapie und auch vom Alter. Aufgrund der extrem niedrigen Zahlen schwerer Krankheitsverläufe konnten nach meinem Wissen daher spezifischen Risikogruppen nicht eindeutig identifiziert werden.

Haben Sie Bedenken, was mögliche Nebenwirkungen des Impfstoffs betrifft?

Ich glaube, dass die verfügbaren Impfstoffe sicher sind und kann mir aufgrund ihres Wirkmechanismus nicht vorstellen, dass Spätfolgen zu befürchten sind. Das kann ich nicht belegen, sondern hier nur meine ganz persönliche Einschätzung abgeben.

Gibt es denn Ihrer Meinung nach Aspekte die für eine Impfung sprechen?

Bei der Frage ob Kinder gegen SARS-CoV-2 geimpft werden sollen oder nicht müssen meines Erachtens auch die negativen soziopsychologischen Effekte dieser Pandemie in Betracht gezogen werden. Diese sind meiner Meinung nach dramatisch und in ihrem Ausmaß aktuell noch gar nicht klar abzuschätzen. Wir dürfen uns auch nicht einreden, dass die Pandemie vorbei ist. Eine 4. Welle ist auch in Deutschland durchaus möglich. Die Impfung könnte den Kindern in diesem Falle durchaus nützlich sein, da sie es ihnen unter Umständen ermöglichen würde, auch bei steigenden Infektionszahlen weiter zur Schule gehen zu können, sich mit Freunden zu treffen oder sich im Verein sportlich zu betätigen. Diese Argumente sind meiner Meinung nach sehr relevant und sollten in die Entscheidung für oder gegen eine Impfung mit einbezogen werden.

Wie verfahren Sie bei dieser Frage denn mit Ihren eigenen Kindern?

Meine Frau und ich haben es mit unseren Kindern (12 und 15 Jahre) folgendermaßen gemacht: Wir haben mit ihnen gesprochen und ihnen die Möglichkeit eingeräumt, sich impfen zu lassen, wenn sichergestellt ist, dass alle wirklich gefährdeten und impfwilligen Menschen ihre Impfung erhalten haben. Das ist nämlich leider immer noch bei Weitem nicht der Fall. Beide Kinder haben sich sofort dafür entschieden, obwohl sie Spritzen hassen. Und meine Frau und ich haben überhaupt keine Sorgen vor möglichen relevanten unerwünschten Nebenwirkungen.

Die Delta-Variante gilt als deutlich ansteckender, vor allem unter jungen Menschen. Was raten Sie Eltern, die unsicher sind, ob sie ihr Kind impfen lassen sollen?

Grundsätzlich gilt es mit Blick auf die Delta-Variante, die gleichen Schutzmaßnahmen einzuhalten wie bisher.

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover

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