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Den Krebs „aushungern

Die Neubildung von Blutgefäßen ist ein möglicher Angriffspunkt für die Krebstherapie. © Eraxion / iStock / Thinkstock

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Tumorforschung: Den Krebs „aushungern“

Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum und der Universität Heidelberg haben einen neuen Mechanismus entdeckt, der Blutgefäße in Tumoren schneller sprießen lässt. Beteiligt sind daran insbesondere die Perizyten, ein Zelltyp, der von außen an feine Blutgefäße angelagert ist. Wird hier ein bestimmtes Eiweißmolekül ausgeknipst, entstehen zwar unreife, aber deutlich mehr Gefäße. Der Tumor wird dadurch besser versorgt und kann schneller wachsen.

Krebszellen haben einen enormen Bedarf an Sauerstoff und Nährstoffen. Daher sind Tumoren darauf angewiesen, dass mit ihrem eigenen Wachstum auch das Kapillarnetz, das feine Adergeflecht, das sie versorgt, mitwächst. Die sogenannte Angiogenese, also die Neubildung von Blutgefäßen, ist daher ein möglicher Angriffspunkt für die Krebstherapie.

Mit geeigneten Hemmstoffen versuchen Ärzte, Tumoren regelrecht auszuhungern. So genannte Angiogenesehemmer befinden sich bereits seit mehr als zehn Jahren im Einsatz. Ihre Wirksamkeit ist jedoch begrenzt. Ein besseres Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen kann dazu beitragen, weitere Angriffspunkte für die Therapie zu identifizieren, um die Neubildung von Blutgefäßen effektiver zu unterbinden.

Das Team um Hellmut Augustin am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg hat nun einen neuen Mechanismus entdeckt, der das Wachstum von Blutgefäßen in Tumoren ankurbelt. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Perizyten, ein Zelltypus, der von außen an Blutkapillaren angelagert ist und diese stabilisiert, aber auch das Wachstum von Blutgefäßen beeinflusst.

Perizyten ohne Tie2-Rezeptor

Endothelzellen und Perizyten © Milde / DKFZWerden Endothelzellen (grün gefärbt) und Perizyten (rot gefärbt) gemeinsam in der Kulturschale herangezogen, so bilden sie kugelartige Spheroide, an denen die Wechselwirkungen der beiden Zelltypen in 3D untersucht werden können. © Milde / DKFZ

Wie Augustin und seine Mitarbeiter festgestellt haben, tragen Perizyten auf ihrer Oberfläche ein Rezeptormolekül namens Tie2. Heften sich Wachstumsfaktoren für Blutgefäße, so genannte Angiopoietine, an den Tie2-Rezeptor, wird das Wachstum neuer Kapillaren zunächst gestoppt, so dass sie sich stabilisieren und ausreifen können.

Dieses kontrollierte Wachstum sorgt für gesunde Gefäße und damit für eine funktionierende Blutversorgung im Körper. Den Wissenschaftlern ist es nun gelungen, Mäuse zu züchten, deren Perizyten keinen Tie2-Rezeptor tragen. Bei den Nagern war nach der Geburt zunächst das Ausreifen der Blutgefäße verzögert. Sie entwickelten sich aber normal und hatten als erwachsene Tiere keinerlei Gefäßstörungen.

Bekamen die Mäuse jedoch Tumoren, so waren diese von wesentlich mehr Blutgefäßen durchzogen und wuchsen zudem schneller als bei Artgenossen mit funktionierendem Tie2-Rezeptor. „Damit konnten wir beweisen, dass Tie2 auf den Perizyten als Wachstumsbremse für Blutgefäße und damit auch für Tumoren dient", sagt Laura Milde, eine der Erstautoren der Veröffentlichung.

Funktionen unzureichend verstanden

Die Arbeit wirft ein neues Licht auf die Entwicklung von Blutgefäßen. „Bislang war der Tie2-Rezeptor lediglich in Endothelzellen bekannt, die die Blutgefäße von innen auskleiden", so Milde. „Die Tatsache, dass das selektive Ausschalten von Tie2 in Perizyten das Tumorwachstum derart beschleunigt, war eine echte Überraschung für uns."

Die Funktion der Perizyten ist bislang nur sehr unzureichend verstanden. Die Ergebnisse der DKFZ-Forscher weisen ihnen nun erstmals eine wichtige Rolle für die Tumorentwicklung zu. „Medikamente, die in den Tie2 Signalweg eingreifen, sind bereits in der klinischen Erprobung", erklärt Augustin.

„Der Nachweis, dass Tie2 auf Perizyten die Gefäßneubildung in Tumoren beeinflusst, ist ein wichtiger Beitrag, um Kombinationstherapien zu entwickeln, in denen die neuen Angiogenesehemmer die Wirkung bereits zugelassener Substanzen unterstützen."

Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ)

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