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Erstmalige Behandlung von Autoimmunerkrankung mit CAR-T-Zellen

Bei Lupus erythematodes handelt es sich um eine seltene chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die vor allem junge Frauen im gebärfähigen Alter betrifft. © Chinnapong / iStock / Getty Images Plus

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Systemischer Lupus: Erstmalige Behandlung von Autoimmunerkrankung mit CAR-T-Zellen

Eine 20-Jährige mit Systemischem Lupus erythematodes wurde erstmals mit einem weltweit neuem Therapieansatz behandelt. Ihre Beschwerden sind verschwunden.

Mit Gelenkschmerzen und einem roten Gesichtsausschlag fing es an: Die damals 16-jährige Thu-Thao V. hatte bereits mehrere ärztliche Untersuchungen in drei Städten hinter sich, als sie im Februar 2017 am Universitätsklinikum Erlangen die Diagnose erhielt: Systemischer Lupus erythematodes (SLE). Bei der lebensbedrohlichen Autoimmunerkrankung, die vor allem junge Frauen betrifft, greift das Immunsystem eigene Körperzellen in verschiedenen Organsystemen an.

Nachdem auch unterschiedliche immununterdrückende Therapien die Symptome der jungen Frau nicht nachhaltig verbessern konnten, wurde Thu-Thao V. von Forschenden des Deutschen Zentrums Immuntherapie (DZI) des Uni-Klinikums Erlangen im März 2021 ein Präparat mit CAR-T-Zellen verabreicht. Knapp ein halbes Jahr nach der Zelltherapie ist nun gewiss: Die Gelenkschmerzen sind verschwunden, der Organismus der 20-Jährigen hat sich komplett erholt. „Ich kann sogar wieder normal Sport machen“, freut sich Thu-Thao V.

Teile des Immunsystems spielen verrückt

Das Immunsystem unterscheidet in der Regel zwischen fremden und körpereigenen Zellen. Dabei wird das Eigene toleriert und das Fremde angegriffen, um den Organismus beispielsweise vor Viren und Bakterien zu schützen. „Beim SLE spielen Teile des Immunsystems verrückt und bilden Antikörper gegen die eigene Erbsubstanz, was unweigerlich zu schweren Entzündungsreaktionen in den Organen führt”, erklärt Prof. Dr. med. univ. Georg Schett, Direktor der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie des Uni-Klinikums Erlangen.

In der schlimmsten Phase der Erkrankung musste die Fachoberschülerin jeden Tag knapp 20 Tabletten einnehmen, damit ihr Körper die Strapazen ihres fehlgeleiteten Immunsystems kompensieren konnte. „Zu den Gelenkschmerzen kamen auch Wassereinlagerungen durch meine Niereninsuffizienz, starkes Herzklopfen und Haarausfall. Nach einem akuten Schub waren die Beschwerden besonders schlimm“, schildert Thu-Thao V.

Mit dem Rücken zur Wand

„Wir standen mit dem Rücken zur Wand“, sagt Prof. Dr. Gerhard Krönke, Oberarzt der Medizin 3. Alle Therapien, die darauf abzielten, das fehlgesteuerte Immunsystem der jungen Patientin zu unterdrücken, scheiterten. Aufgeben war für das behandelnde Team an dieser Stelle jedoch keine Option und die Forschenden brachten die CAR-T-Zellen in Spiel. „‚CAR‘ steht für den ‚chimären Antigenrezeptor‘ und bezeichnet einen künstlichen Rezeptor“, erklärt Prof. Dr. Andreas Mackensen, Direktor der Medizinischen Klinik 5 – Hämatologie und Internistische Onkologie.

„Immunzellen, also T-Zellen der Patientin wurden im Labor mithilfe eines gentechnischen Verfahrens mit dem CAR ausgestattet. Dieser erkennt spezielle Antigene auf der Oberfläche der Zielzellen und zerstört diese. Die Zelltherapie mit CAR-T-Zellen wird bei der Behandlung von Leukämien und Lymphdrüsenkrebs bereits erfolgreich eingesetzt.“ Im Falle der jungen SLE-Patientin wurde den CAR-T-Zellen die Fähigkeit beigebracht, diejenigen Immunzellen (B-Zellen) unschädlich zu machen, die Antikörper gegen körpereigene Zellen bilden.

Schnelle Besserung dank CAR-T-Zellen

Im März 2021 erhielt Thu-Thao V. als weltweit erste Patientin mit SLE CAR-T-Zellen. „Wir waren sehr überrascht, wie schnell sich ihr Zustand unmittelbar nach der Zellinfusion besserte“, berichtet Prof. Dr. Dimitrios Mougiakakos, Oberarzt der Medizin 5. „Die CAR-T-Zellen haben ihre Aufgabe ausgezeichnet erledigt und haben die krankheitsvermittelnden B-Zellen rasch zerstört. Zusammen mit den Antikörpern gegen die eigene Erbsubstanz verschwanden auch alle Krankheitssymptome des SLE.“ Thu-Thao V. konnte alle immununterdrückenden Medikamente inklusive Kortison absetzen. Die Patientin ist nun seit knapp einem halben Jahr vollkommen beschwerdefrei, bisher gibt es keine Anzeichen für ein erneutes Auftreten der Erkrankung.

„Ich kann endlich wieder richtig atmen und durchschlafen, außerdem habe ich keine Wassereinlagerungen mehr und die Rötungen im Gesicht sind verschwunden. Auch meine Haare wachsen schon deutlich dichter“, sagt Thu-Thao V. Ihre Herzfunktion ist ebenfalls wieder im Normalbereich: Der Puls ist von durchschnittlich 115 bis 130 auf 80 Schläge pro Minute gesunken. „Wir sehen dies als Meilenstein in der Therapie von Autoimmunerkrankungen“, so die beteiligten Wissenschaftler. Sie planen nun eine klinische Studie mit CAR-T-Zellen bei Patientinnen und Patienten mit Autoimmunerkrankungen.

Systemischer Lupus erythematodes (SLE)

Die Arbeit zur Behandlung mit CAR-T-Zellen wird am 5. August 2021 im New England Journal of Medicine veröffentlicht und wurde durch die Sonderforschungsbereiche SFB1181 (Schaltstellen zur Auflösung von Entzündung) und SFB/TRR221 (Steuerung der Transplantat-gegen-Wirt- und Transplantat-gegen-Leukämie- Immunreaktionen nach allogener Stammzelltransplantation) der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.

Bei Lupus erythematodes handelt es sich um eine seltene chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die vor allem junge Frauen im gebärfähigen Alter betrifft. Die Krankheit ist weltweit verbreitet, aber selten. Insgesamt tritt die Autoimmunerkrankung bei etwa 50 von 100 000 Menschen auf. Dabei werden zwei Hauptformen unterschieden: Kutaner Lupus erythematodes (CLE) und Systemischer Lupus erythematodes (SLE). CLE betrifft nur die Haut mit typischen schmetterlingsförmigen Hautveränderungen an der Sonne ausgesetzten Körperstellen, vor allem um die Augen herum. SLE wirkt sich zusätzlich auch auf innere Organe aus (z. B. Nierenentzündung, Gelenkschmerzen, Entzündungen von Lunge und Herz). In Einzelfällen kann der Lupus tödlich enden. Die Krankheitsursachen sind noch nicht völlig aufgeklärt. Experten gehen von einer genetischen Veranlagung in Kombination mit vor allem UV-Licht und hormonellen Einflüssen aus.

Quelle: idw – Informationsdienst Wissenschaft

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