„In der Studie wurden zwölf Bereiche in der DNA-Sequenz identifiziert, die signifikant damit assoziiert sind, in welchem Alter wir unser erstes Kind bekommen und wie viele Kinder wir im Laufe unseres Lebens haben“, fasst Dr. Christian Gieger die Ergebnisse zusammen. Er leitet die Abteilung für Molekulare Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München (HMGU) und war ebenfalls an der Arbeit beteiligt.
Datensätze der Augsburger KORA-Studie
Die Studie enthält eine Analyse von 62 Datensätzen, auch von der Augsburger KORA-Studie. Insgesamt erhoben die Wissenschaftler so Informationen von 238 064 Männern und Frauen zum Alter bei der ersten Geburt und von fast 330 000 Männern und Frauen zur Anzahl der Kinder.
„Bisher wurde menschliches Fortpflanzungsverhalten hauptsächlich mit persönlichen Entscheidungen oder sozialen Umständen sowie Umweltfaktoren in Verbindung gebracht“, erklärt Prof. Dr. Konstantin Strauch, Direktor des Instituts für Genetische Epidemiologie am HMGU und ebenfalls an der Studie beteiligt. „Die neuen Ergebnisse zeigen, dass es auch eine genetische Basis für das Fortpflanzungsverhalten gibt.“
Zudem berichten die Autoren, dass DNA-Varianten, die mit dem Alter bei der Geburt des ersten Kindes verbunden sind, mit anderen Eigenschaften der reproduktiven und sexuellen Entwicklung assoziiert sind, wie beispielsweise dem Alter, in dem Mädchen ihre erste Periode bekommen, Jungen ihren Stimmbruch haben oder mit dem Alter, in dem die Menopause einsetzt.
Vorhersagen in weniger als einem Prozent der Fälle
Die Autoren sehen in der aktuellen Arbeit einen möglichen „Game Changer“ für menschliche Entwicklungs- und Fertilitätsforschung. Es sei jedoch wichtig, die Ergebnisse aus der richtigen Perspektive zu betrachten: Die Forscher berechneten, dass die entdeckten DNA-Varianten zusammen in weniger als einem Prozent der Fälle den Zeitpunkt vorhersagen, zu dem Männer und Frauen ihr erstes Kind bekommen, oder wie viele Kinder sie im Laufe ihres Lebens haben.
„Durch die Erforschung der Funktionen der zwölf DNA-Regionen konnten 24 Gene identifiziert werden, die wahrscheinlich für die Auswirkungen auf das Fortpflanzungsverhalten verantwortlich sind“, erklärt Co-Autorin PD Dr. Doris Stöckl.
Sie forscht am Institut für Epidemiologie II des HMGU in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Christa Meisinger, die ergänzt: „Von einigen dieser Gene ist bereits bekannt, dass sie das Risiko für Unfruchtbarkeit beeinflussen, andere wurden bisher noch nicht in diesem Zusammenhang untersucht.“ Die Forscher hoffen, dass ein besseres Verständnis der Funktion dieser Gene zu neuen Erkenntnissen für die Behandlung von Unfruchtbarkeit führen könnte.
Quelle: Helmholtz Zentrum München
Originalpublikation: Barban, N. et al.; Genome-wide analysis identifies 12 loci influencing human reproductive behavior; Nature Genetics, 2016; doi: 10.1038/ng.3698