Branche
on
Funktionsweise des Gehirns untersucht

Das EEG (Elektroenzephalografie) ist eine Untersuchungsmethode, bei der die elektrische Aktivität der Hirnrinde über Elektroden gemessen wird. © yacobchuk / iStock / Getty Images Plus

| | | |

Neuronale Schaltkreise: Funktionsweise des Gehirns untersucht

Eine neue Studie von Tübinger Wissenschaftlern zeigt, dass sich Messergebnisse verschiedener gängiger Methoden zur Bestimmung der Hirnaktivität weitgehend in direkten Zusammenhang bringen lassen. Zwei davon sind nicht-invasive Verfahren, bei denen die Hirntätigkeit an der Kopfoberfläche gemessen wird und kein operativer Eingriff notwendig ist. Die dritte Methode ist die invasive Elektrophysiologie, bei der Mikroelektroden die Aktivität einzelner bis tausender Nervenzellen direkt im Gewebe aufnehmen.

Forscher um Professor Markus Siegel am Hertie-Institut für klinische Hirnforschung und der Universität Tübingen setzten gemeinsam mit Kollegen vom Massachusetts Institute of Technology (USA) nun alle drei Verfahren parallel in einem Sehexperiment ein. Sie wiesen nach, dass Elektroenzephalografie (EEG), Magnetoenzephalographie (MEG) und invasive Elektrophysiologie bei der Verarbeitung eines Sehreizes sehr ähnliche Informationen erfassen, wie etwa die Farbe und Bewegungsrichtung von Punkten.

Erkenntnisse aus invasiven und nicht-invasiven Experimenten lassen sich somit künftig besser in Zusammenhang bringen. „Im weiteren Sinne kann nun auch die Forschung an menschlichen Probanden besser mit Untersuchungen an Versuchstieren verglichen werden“, sagt Studienleiter Siegel. Um die Funktionsweise des Gehirns auf der Ebene einzelner Nervenzellen untersuchen zu können, müssen Hirnforscher auf Untersuchungen an Versuchstieren zurückgreifen.

EEG und MEG werden wiederum bevorzugt an menschlichen Versuchspersonen eingesetzt, etwa in der klinischen Hirnforschung. „Es ist jedoch nicht ganz einfach, EEG- und MEG-Daten mit den zugrundeliegenden neuronalen Schaltkreisen in Beziehung zu setzen“, berichtet Florian Sandhäger, Mitarbeiter von Siegel und Erstautor der Studie.

Elektrische und magnetische Felder mit Nervenzellaktivität in Verbindung bringen

Probandin bei der MEG-Messung © Berthold SteinhilberProbandin bei der MEG-Messung © Berthold Steinhilber

Beide Verfahren messen großflächige elektrische sowie magnetische Felder, die aufgrund der Hirnaktivität entstehen, an der Kopfoberfläche. Mit ihrer Hilfe lassen sich die örtlichen Quellen der Signale bestimmen, nicht jedoch die Aktivität einzelner Zellen. Diese können nur mithilfe der invasiven Elektrophysiologie geklärt werden. Die hauchdünnen Mikroelektroden messen die Nervenzellaktivität direkt am Ort des Geschehens im Gehirn und bieten so eine sehr hohe räumliche Auflösung.

Ziel von Siegel und seinen Mitarbeitern war es, die außerhalb des Kopfs gemessenen elektrischen und magnetischen Felder mit der konkreten Nervenzellaktivität in Verbindung zu bringen. Dafür entwickelten sie ein Experiment, bei dem verschiedenfarbige Punktmuster auf einem Bildschirm gezeigt wurden, die sich in unterschiedlichen Richtungen bewegten. Zunächst untersuchten die Wissenschaftler die Hirnaktivität menschlicher Versuchspersonen beim Betrachten dieser Muster. Dafür verwendeten sie das MEG.

Parallel dazu entwickelten sie ein spezielles EEG, mit dem sie die vergleichbare Hirnaktivität während der Aufgabe an Rhesusaffen messen konnten. In einem dritten Schritt führten sie mit den Tieren das Sehexperiment durch, während sie dabei die Nervenzellaktivität mittels Mikroelektroden maßen. Das Ergebnis: Die gemessenen Signale enthielten bei allen drei Verfahren Informationen über Farbe und Bewegungsrichtung der Punktmuster. Darüber hinaus identifizierten die Wissenschaftler spezifische Muster im MEG und EEG, die sie in Bezug zu den Eigenschaften einzelner Nervenzellen in bestimmten Hirnarealen setzen konnten.

„Unsere Studie hilft, nicht-invasive Messverfahren in engen Bezug zu den unterliegenden zellulären Mechanismen zu setzen“, erläutern Siegel und Sandhäger. „Dieser Brückenschlag trägt nicht nur zu einem besseren Verständnis der Funktionsweise des menschlichen Gehirns bei, sondern kann langfristig auch eine genauere Interpretation von EEG- und MEG-Messungen im klinischen Kontext ermöglichen.“

Quelle: Hertie-Institut für klinische Hirnforschung


Originalpublikation: Sandhaeger et al.; Monkey EEG links neuronal color and motion information across species and scales; eLife, 2019; doi: 10.7554/eLife.45645

Newsletter abonnieren

Newsletter Icon MTA Blau 250x250px

Erhalten Sie die wichtigsten MT-News und Top-Jobs bequem und kostenlos per E-Mail.

Mehr zum Thema

Aktivität der Neuronen im Gehirn
Zellentwicklung eines Embryos.

Das könnte Sie auch interessieren

Petrischale und rote Blutzellen
MRT-Aufnahme für Erkennung neurologischer Erkrankungen
Ribonukleinsäure und Proteine