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Hormon schleust Wirkstoff ein

Die Wissenschaftler nutzten ein natürliches Hormon als Trojanisches Pferd um ein anderes in Zellen einzuschleusen. © Brian Chase / iStock / Thinkstock

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Fettleber: Hormon schleust Wirkstoff ein

Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) und des Helmholtz Zentrums München haben einen neuen Wirkstoff entwickelt, der ein natürliches Hormon nutzt, um ein anderes gezielt in Leberzellen zu transportieren. Durch den „Doppelhormon-Trick“ werden unerwünschte Auswirkungen auf anderes Gewebe vermieden. Zugleich werden das Körpergewicht verringert, der Cholesterinstoffwechsel verbessert und Gefäßverkalkung vermindert.

Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Fettleibigkeit und Herzkreislauferkrankungen nehmen vor allem in Industrienationen unvermindert zu, weshalb intensiv an neuen Behandlungsmethoden geforscht wird. Ein Ansatz ist die sogenannte personalisierte Medizin, bei der individuelle Therapien für bestimmte Patientengruppen maßgeschneidert werden.

Adipositas- und Diabetespatienten mit Fettleber bilden solch eine Untergruppe, für die es bisher kaum Präzisions-Therapeutika gibt. Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung ist nun dem Team um Prof. Matthias Tschöp, Inhaber des Lehrstuhls für Stoffwechselerkrankungen an der TUM und Direktor des Instituts für Diabetes und Adipositas (IDO) des Helmholtz Zentrums München gelungen.

„Ziel war es, das Schilddrüsenhormon T3 vermehrt in die Leber einzuschleusen und es möglichst von Herzmuskel und Knochen fernzuhalten“, sagt Dr. Timo Müller, Leiter der Pharmakologie am IDO und Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD).

Nebenwirkungen standen im Weg

„Obwohl die vielversprechenden Effekte von Schilddrüsenhormonen auf den Fettstoffwechsel seit Jahrzehnten bekannt sind, konnten diese aufgrund bekannter Nebenwirkungen auf Herz und Knochen bisher nicht medizinisch genutzt werden“, so Matthias Tschöp. „Unser Trick mit dem Doppelhormon, ähnlich dem trojanischen Pferd, macht das jetzt zum ersten Mal möglich“, führt Tschöp fort, der das Konzept gemeinsam mit dem Chemiker Prof. Richard DiMarchi von der Indiana University in Bloomington, USA entwickelt hatte.

Durch die Bindung des Schilddrüsenhormons T3 an das Hormon Glukagon aus der Bauchspeicheldrüse gelangt T3 nur in Zellen, welche den Glukagonrezeptor haben. „Der Rezeptor für Glukagon wird überwiegend in der Leber ausgebildet, fehlt aber in Herz und Knochen. Diese Beobachtung haben wir für unsere ferngesteuerte Medikamentenauslieferung benützt“, sagt Dr. Christoffer Clemmensen, Arbeitsgruppenleiter am Helmholtz Diabetes Center und einer der beiden Erstautoren der Studie.

Positive Effekte im Versuchsmodell

Im Rahmen ihrer Versuche konnten die Wissenschaftler eine Reihe positiver Effekte beobachten, die auf die Behandlung mit dem neuen Wirkstoff zurückgehen. So verbesserten sich im Versuchsmodell nicht nur der Zuckerstoffwechsel und die Cholesterinwerte, auch das Körpergewicht und die Verfettung der Leber wurde nachhaltig gesenkt. „In unseren Augen ist die Entwicklung des neuen Wirkstoffs ein großer Schritt für die personalisierte Medizin“, erläutert Müller.

„Sollte sich die Wirkung von T3 auch in klinischen Studien auf die Leber konzentrieren und sich Cholesterin dadurch sicher und gezielt senken lassen, könnte das schwerwiegende Gefäßverkalkungen aber auch Lebertransplantationen vorbeugen.“, so Prof. Susanna Hofmann von der Ludwig-Maximilians Universität, die die Untersuchungen zum Cholesterinstoffwechsel und zur Gefäßverkalkung leitete.

Neben der Fortentwicklung des Wirkstoffs für die klinische Anwendung prüft das Team jetzt, welche weiteren Zielgewebe sich spezifisch ansteuern lassen, um die Wirkung von T3 dort selektiv zum Einsatz zu bringen. Müller fasst zusammen: „Das Wirkprinzip dieses neues Moleküls öffnet eine neue Tür für die Entwicklung personalisierter Stoffwechselmedizin.“

Quelle: Technische Universität München (TUM)


Originalpublikation: Finan, B. & Clemmensen, C. et al.; Chemical Hybridization of Glucagon and Thyroid Hormone Optimizes Therapeutic Impact for Metabolic Disease; Cell, 2016; DOI: 10.1016/j.cell.2016.09.014

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