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IgA-Antikörper legen Erreger lahm

In der Regel infizieren sich Menschen durch den Kontakt mit Nutztieren wie Schweinen oder ihrem rohen Fleisch. © kadmy / iStock / Thinkstock

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Gegen den Durchfall: IgA-Antikörper legen Erreger lahm

Forschende der ETH Zürich haben aufgeklärt, wie Impfungen bakterielle Darmerkrankungen bekämpfen können: Die Impfstoff-induzierten Antikörper des Darms legen Krankheitserreger, die sich im Darm ausbreiten, in Ketten. Das verhindert die Erkrankung und unterbindet erstaunlicherweise auch die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen.

Impfungen haben sich im Kampf gegen Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren bewährt. Sie regen den Körper zur Bildung von schützenden Antikörpern (IgA) an. Auch gegen Darminfekte wurden Impfungen bereits eingesetzt. Wie jedoch die Darm-Antikörper, die sogenannten sekretorischen IgA, vor Infektionen schützen, war bislang unklar.

Eine Gruppe von Forschenden unter der Leitung von ETH-Oberassistentin Emma Slack zeigt nun am Beispiel des Salmonellen-Durchfalls, dass sekretorisches IgA ganz anders wirkt, als die Wissenschaftler bisher vermutet haben. Die Forscher zeigen in einer aktuellen Studie auf, dass impfungsinduzierte IgA-Antikörper die Krankheitserreger im Darm quasi in Ketten legt.

IgA heftet die Tochterbakterien nach der Vermehrung aneinander. Die verketteten Bakterien können sich zwar weiterhin vermehren, doch bleiben auch alle ihre Nachkommen in diesen Klumpen gefangen. Die Verklumpung in genetisch einheitlichen Familien verhindert die Ansteckung des Darmgewebes, beschleunigt das Ausscheiden des Erregers und unterbindet den Gen-Austausch zwischen Bakterien verschiedener Familien.

Agglutination nur im Reagenzglas

Salmonellen-Klone © Emma Slack / ScopeM, ETH ZürichVerschiedene Klone (rot und grün) von Salmonellen werden durch IgA-Antikörper in Klumpen zusammengehalten. © Emma Slack / ScopeM, ETH Zürich

Die Klumpenbildung von Antikörpern und Bakterien, die so genannte Agglutination, ist schon lange bekannt. Zu dieser kommt es aber nur, wenn Antikörper und Bakterien in hohen Dichten vorliegen und dadurch häufig aufeinander treffen. „Im Reagenzglas funktioniert das schulbuchmäßig. Dort hat man genügend hohe Konzentrationen von Antikörpern und Bakterien, sodass diese häufig zusammenstoßen", sagt Slack.

Im Darm sind solche hohen Erregerdichten jedoch die Ausnahme. „Es ist daher weniger wahrscheinlich, dass die IgA-beschichteten Bakterien kollidieren", so die Forscherin. Trotzdem beobachtet die Forschung seit längerem, dass sich im Darm solche Klumpen bilden – es musste also eine andere Erklärung für die Verklumpung geben. 

Nun weisen Slack und ihr Konsortium erstmals nach, dass sich Klumpen auch bei geringer Erregerdichte formieren und dies nicht von der Konzentration der Bakterien abhängt. Treibende Kraft hinter der Klumpenbildung ist die Vermehrungsrate der Krankheitserreger. Die IgA-Antikörper heften sich so stark an Bakterien, dass sie diese auch nicht loslassen, wenn sich die Erreger teilen. Damit bleiben beide Tochterzellen aneinander geheftet. Auf diese Weise verketten die IgA-Antikörper alle Nachkommen eines einzelnen, sich rasch teilenden Bakteriums.

Klumpen verhindern Erkrankung

„Das Clevere an der Klumpenbildung ist, dass die Antikörper die Bakterien nicht töten. Dies könnte im schlimmsten Fall zu einer heftigen Immunreaktion führen. Sie verhindern lediglich, dass die Mikroben mit dem Wirt, untereinander oder mit nahen Verwandten wechselwirken", sagt Wolf-Dietrich Hardt, Professor für Mikrobiologie der ETH Zürich, der an der Arbeit maßgeblich beteiligt war. Die Bekämpfung von Darminfektionen mittels Impfung hat deshalb mehrere Vorteile: Antikörper-Bakterien-Klumpen können sich der Darmwand nicht nähern. Das verhindert, dass sich die Darmschleimhaut entzündet.

Zudem wird der Darm die Klumpen schnell wieder los. Nach wenigen Tagen werden sie mit dem Kot ausgeschieden. „Das System ist effizient. Es ist für das Immunsystem einfacher, einen ganzen Klumpen loszuwerden als jede einzelne Bakterienzelle einzufangen und zu eliminieren", sagt Slack. Die Darmimpfung könnte dabei helfen, die Antibiotika-Resistenzkrise zu meistern. Zum einen könnten Erkrankungen vermieden werden, welche den Einsatz von Antibiotika erfordern. Dadurch würden sich automatisch die Entwicklung und Ausbreitung von Resistenzen gegenüber den Antibiotika verringern.

Zum anderen unterbindet die Klumpenbildung den Austausch von Genen zwischen einzelnen gefangenen Bakterienpopulationen. Bakterien tauschen oft Gene in Form von Plasmiden (ringförmige DNS-Stücke) aus, die häufig die gefürchteten Antibiotika-Resistenzgene tragen. Für den Tausch von Plasmiden müssen sich Bakterienzellen aber berühren. Stecken sie in separaten Klumpen fest, gelingt ihnen dies nicht.

Nutztiere impfen

Antikörper in Ketten © Thierry SollbergerAntikörper ketten Salmonellen (grün) an. Das verhindert den Transfer von Gen-Material (gelbe Ringe) auf Zellen, die dieses nicht besitzen. Die violetten Zellen schwimmen frei herum. © Thierry Sollberger

Ihre Experimente führten die Forschenden mit Impfstoffen aus abgetöteten Salmonellen und E.coli-Bakterien durch. Laut den Wissenschaftlern könnte diese Strategie auch gegen weitere Erreger von Darmerkrankungen wie Shigellen oder Listerien verwendet werden. Das grösste Anwendungsgebiet für eine Salmonellen-Impfung könnten Nutztiere wie Schweine sein.

In der Regel infizieren sich Menschen durch den Kontakt mit diesen Tieren und ihrem rohen Fleisch. Eine Impfung für Menschen wäre ebenfalls realisierbar. Sie könnte Leuten zugutekommen, die in Katastrophen- oder Seuchengebieten Einsätze leisten oder in Regionen reisen, in denen Darminfektionen häufig sind. 

Die vorliegende Studie ist das Resultat einer über sechs Jahre dauernden Zusammenarbeit von Forschenden aus mehreren ETH-Departementen und -Einrichtungen wie ScopeM sowie weiterer universitären Einrichtungen, unter anderem der Universität Melbourne (AUS), dem Istituto di Ricerca in Biomedicina in Bellinzona und dem CNRS in Frankreich.

Für die Entdeckung des Verkettungsmechanismus war die Zusammenarbeit mit Ingenieuren wie Douglas R. Brumley und Roman Stocker wichtig. Emma Slack führt eine Gruppe am Institut für Mikrobiologie der ETH Zürich. 2011 erhielt sie vom Schweizer Nationalfonds (SNF) ein Ambizione-Stipendium und nahm ihre Arbeit in Wolf-Dietrich Hardts Forschungsgruppe auf.

Quelle: ETH Zürich


Publikation: Moor K. et al.; High-avidity IgA protects the intestine by enchaining growing bacteria; Nature, 2017; DOI: 10.1038/nature22058

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