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Leitlinien-Wissen kommt beim Arzt oft nicht an

Die Leitlinien umfassen nicht selten über 150 Seiten und sind damit im Berufsalltag vieler Ärzte nicht geeignet, Informationen zu vermitteln. © Lalith_Herath / iStock / Thinkstock

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Onlinebefragung: Leitlinien-Wissen kommt beim Arzt oft nicht an

ie Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) identifiziert und benennt mit ihrer Initiative „Klug entscheiden“ Über- und Unterversorgung in der Medizin. Denn oft bekommen Patienten medizinische Untersuchungen und Behandlungen verschrieben, die ihnen nicht nützen oder sogar schaden. Andere, hilfreiche Methoden kommen dagegen zu selten zum Einsatz. Warum es in der Praxis dazu kommt, erläutern DGIM-Mitglieder in einer Onlinebefragung.

Bildgebung, zum Beispiel Kernspintomographien, und umfassende Blutuntersuchungen sind zwei Beispiele für Leistungen, die Ärzte erbringen, obwohl sie nicht notwendig sind. Dies zeigt die Umfrage der DGIM unter rund 4200 Ärzten. 70 Prozent der Befragten geben an, dass sie mehrmals pro Woche mit Überversorgung konfrontiert sind.

Dass notwendige Leistungen nicht erbracht werden, erleben rund die Hälfte der Befragten weniger als ein Mal pro Woche, 22 Prozent mehrmals. Ein Grund: Leitlinien sind oft unverständlich, unübersichtlich und zu lang.

„Das legt für uns die Vermutung nahe, dass ein Teil der Fälle von Über– oder Unterversorgung darauf zurückzuführen sind, dass den Ärzten die notwendigen Informationen fehlen. Darüber hinaus ist die Sorge vor Behandlungsfehlern bei 80 Prozent der Befragten ein Grund für Überversorgung“, sagt Professor Dr. med. Gerd Hasenfuß, Kongresspräsident des 122. Internistenkongresses und Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie an der Universitätsmedizin Göttingen.

Die Mitgliederumfrage bestärke die Fachgesellschaft darin, für Über- und Unterversorgungen anfällige medizinische Leistungen im Rahmen ihrer Initiative „Klug entscheiden“ zu benennen.

Neue Leitlinien entwickeln

„Die Leitlinien, die aktuelles medizinisches Wissen abbilden, umfassen nicht selten über 150 Seiten und sind damit im Berufsalltag vieler Ärzte nicht geeignet, Informationen zu vermitteln“, sagt auch Professor Dr. med. Dr. h.c. Ulrich R. Fölsch, Generalsekretär der DGIM aus Kiel. Die Fachgesellschaft setze sich daher dafür ein, neue Formen von Leitlinien zu entwickeln.

Die Ergebnisse wird die DGIM auch in ihre Angebote für ihre Mitglieder einfließen lassen. „Wir haben erkannt, dass das Wissen aus Leitlinien nicht in Gänze beim praktizierenden Arzt ankommt“, so Professor Fölsch.

Die DGIM bietet deshalb bereits eine digitale, kostenfreie Alternative an: Die App „Mobile Leitlinien Innere Medizin“ führt über Entscheidungsbäumen durch zahlreiche Leitlinien und ermöglicht Medizinern, im Arbeitsalltag evidenzbasiertes Wissen abzurufen und leitliniengerechte Entscheidungen bei der Behandlung von Patienten zu treffen.

Bei der Vorab-Pressekonferenz anlässlich des 122. Internistenkongresses am 6. April 2016 diskutieren Experten der Fachgesellschaft erstmals die „Klug entscheiden“-Empfehlungen für einzelne Schwerpunkte der Inneren Medizin und stellen die Ergebnisse ihrer Mitglieder-Befragung vor.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V.

Den 122. Internistenkongress finden Sie auch in unserer Rubrik „Termine".

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