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Milchsäure zu Methan umwandeln

Dr. Stefan Kruse bereitet eine Bakterienkultur für die Untersuchung in einer sogenannten Anaerobenkammer vor. © Jan-Peter Kasper / FSU

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Epsilonproteobakterien: Milchsäure zu Methan umwandeln

Es gibt Bakterien, die Wasserstoff und Naturstoffe produzieren, was sowohl für die Umwelt als auch für die Medizin wichtig ist. In Jena hat ein Forschungsteam nun die Fähigkeit zur Wasserstoff- und Naturstoffproduktion in einer Gruppe von Bakterien nachgewiesen, die bis dahin eher als Krankheitserreger bekannt waren.

Bakterien dieser Gruppe, der sogenannten Epsilonproteobakterien, werden zum Beispiel mit der Entstehung von Magengeschwüren in Verbindung gebracht oder sind als Auslöser von Lebensmittelvergiftungen bekannt.

Die Epsilonproteobakterien, die an der Friedrich-Schiller-Universität Jena erforscht werden, sogenannte Sulfurospirillen, sind hingegen harmlos und leben unter Ausschluss von Sauerstoff in Abwässern und Flusssedimenten und können Schadstoffe in der Umwelt umwandeln. Diese Transformation ist an die bakterielle Atmung gekoppelt, die biochemisch ähnlich zur menschlichen Sauerstoffatmung ist.

Nun hat ein Jenaer Forschungsteam zwei weitere besondere Stoffwechselleistungen von Sulfurospirillen entdeckt und erstmals beschrieben: die Fähigkeit, sowohl Wasserstoff als auch Naturstoffe zu produzieren. Letztere könnten eventuell als Medikamente dienen. Die Ergebnisse sind langjähriger Forschung zu verdanken.

Gesamtheit der Proteine verglichen

Bildschirm © Jan-Peter Kasper / FSUDr. Stefan Kruse bereitet eine Bakterienkultur vor. Auf dem Bildschirm ist eine elektronenmikroskopische Aufnahme einer biofilmartigen Aggregatbildung zu sehen. © Jan-Peter Kasper / FSU

Die Wasserstoffproduktion wurde von Dr. Stefan Kruse, der zur Jena School for Microbial Communication (JSMC) gehörte, im Labor der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Gabriele Diekert an der Uni Jena nachgewiesen. Um tiefere Einblicke in die Maschinerie des Stoffwechselweges und der daran beteiligten Enzyme zu erlangen, wurden Studien durchgeführt, die die Gesamtheit der Proteine des Bakteriums in gärenden Zellen mit der in atmenden Zellen vergleicht.

Dabei bekam das Jenaer Team Unterstützung von Prof. Dr. Lorenz Adrian, Arbeitsgruppenleiter am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig. Zusammen mit der Mikrobiologin Gabriele Diekert untersuchten sie seit 2011 die Transformation halogenierter, oft giftiger Verbindungen, zum Beispiel durch Sulfurospirillen. Dr. Tobias Goris, Wissenschaftler und Koordinator in der Forschergruppe FOR 1530, stellte nach Genomuntersuchungen an Sulfurospirillen die ursprüngliche These zur Wasserstoffproduktion auf.

„Zu Beginn hatten wir nur sehr unsichere Hinweise auf Wasserstoff- und Naturstoffproduktion dieser Bakterien. Wir haben die Sequenz einer sogenannten Hydrogenase – das sind Enzyme, die Wasserstoff spalten oder herstellen können – im Genom von Sulfurospirillum gefunden. Die gefundene Hydrogenase ähnelt entfernt anderen Hydrogenasen, die Wasserstoff produzieren. Daher wollten wir die für die Wasserstoffproduktion verantwortlichen Enzyme eindeutig nachweisen und wurden mit den Ergebnissen der vergleichenden Proteomik in Leipzig und den biochemischen Arbeiten von Stefan Kruse belohnt: Wir konnten einen großen, Wasserstoff produzierenden Komplex nachweisen“, sagt Goris.

Interaktion zweier Organismen

Die Wasserstoffproduktion von Sulfurospirillen kann weitreichende Auswirkungen auf ökologische Fragestellungen haben: Da Wasserstoff in mikrobiellen Gemeinschaften als wertvoller Nährstoff gilt, lag es nahe, dass Sulfurospirillen andere Bakterien mit dem produzierten Wasserstoff „ernähren“ können.

Daher hat das Jenaer Team „Sulfurospirillum multivorans“ in Kombination mit „Methanococcus voltae“ kultiviert, da Letzteres für die Methanproduktion aus Wasserstoff als Energiequelle bekannt war. Die Interaktion beider Organismen führte tatsächlich zur Produktion von Methan aus Milchsäure und außerdem zu einer biofilmartigen Aggregatbildung, die am Elektronenmikroskopischen Zentrum (EMZ) des Jenaer Universitätsklinikums unter Mitwirkung von PD Dr. Martin Westermann untersucht wurde.

Die elektronenmikroskopischen Aufnahmen zeigten ein dichtes Netzwerk an Zellen, wodurch ein enger Kontakt zwischen den Organismen ermöglicht wurde, der einen verbesserten Wasserstoffaustausch zur Folge haben könnte.

Aufwendiger chemischer Nachweis

Die Interaktion von Sulfurospirillen mit anderen Bakterien wird weiterhin am Institut für Mikrobiologie der Friedrich-Schiller-Universität erforscht, wobei eine Fokussierung auf den Abbau von Schadstoffen in diesen mikrobiellen Lebensgemeinschaften gelegt wird. Genom-Untersuchungen waren ebenfalls der Anlass, die Produktion eines Naturstoffes durch „Sulfurospirillum barnesii“ zu erforschen.

Die Untersuchungen dazu wurden zusammen mit der Arbeitsgruppe von Dr. Christine Beemelmanns am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie durchgeführt. Dort wurde der aufwendige chemische Nachweis durch Maja Rischer und andere Forschende geführt.

Das komplexe Molekül, nach dem Bakterium „S. barnesii“ Barnesin genannt, hat eine ähnliche Wirkungsweise wie z. B. bereits in der Krebsbehandlung eingesetzte Proteasehemmer. „An beiden Arbeiten lässt sich verfolgen, wie wichtig es ist, anfänglichen Untersuchungen am Genom von Bakterien biochemische Experimente im Labor folgen zu lassen“, ist Stefan Kruse überzeugt.

Quelle: Friedrich-Schiller-Universität Jena


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