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Neue Erkenntnisse der Strahlenbiologie

Erkenntnisse über das Reaktorunglück in Tschernobyl können heute helfen die Strahlentherapie zu verbessern. © manfredxy / iStock / Thinkstock

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Interview: Neue Erkenntnisse der Strahlenbiologie

Experten aus ganz Europa beschäftigten sich auf der Jahreskonferenz der Gesellschaft für Biologische Strahlenforschung (GBS) mit der Frage wie radioaktive Strahlung lokal im Körper wirkt und welche Begleiterscheinungen auftreten. Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) hat mit dem Kongresspräsidenten Prof. Dr. Udo Gaipl über neue Erkenntnisse und ihre Anwendung in der Krebstherapie gesprochen.

Prof. Dr. Udo Gaipl © Uniklinikum ErlangenProf. Dr. Udo Gaipl © Uniklinikum Erlangen

Womit genau beschäftigt sich die Strahlenbiologie und speziell die Strahlenimmunbiologie?

Prof. Dr. Udo Gaipl: Die klassische Strahlenbiologie erforscht die Wirkung ionisierender Strahlung auf den Organismus. Untersucht werden vor allem lokale Zelleffekte wie die Schädigung und Reparatur der DNA. Die Strahlenmedizin setzt diese Effekte gezielt ein, um Tumorzellen abzutöten. Die Strahlenimmunbiologie beschäftigt sich mit nachgeschalteten Effekten, da die geschädigten und gestressten Zellen ihre Oberfläche und ihr Umgebungsmilieu verändern. Dies ist wichtig, um systemische und immunvermittelte Reaktionen gegen Tumoren und auch gegen Metastasen zu erzeugen.

Vor 30 Jahren hat es in Tschernobyl das schwerste Reaktorunglück in der Geschichte der Menschheit gegeben. Was weiß man heute über die Folgen?

Gaipl: Neben akuten Folgen, etwa der Strahlenkrankheit, können solche Unfälle zu lang anhaltenden Schädigungen führen, zum Beispiel zu Tumorerkrankungen, die durch Mutationen ausgelöst werden. Darüber hinaus stellen wir langfristige Veränderungen im Immunstatus der Betroffenen fest.

Lassen sich diese Erkenntnisse für die Strahlentherapie nutzen?

Gaipl: Unbedingt. In der Strahlenmedizin hat es in den vergangen Jahren einen Paradigmenwechsel gegeben: Einerseits hat die Strahlentherapie sich technisch stark weiterentwickelt, sodass heute deutlich höhere Dosen bei der Bekämpfung von Tumoren appliziert werden können. Zugleich rückt die systemische Komponente immer stärker in den Fokus: Strahlung wirkt nicht nur lokal intensiv mit unserer DNA, sie hat über nachgeschaltete Prozesse auch viele systemische und immunologische Konsequenzen. Wir nutzen diese abscopalen Effekte der Bestrahlung, indem wir das Immunsystem gezielt aktivieren oder Immununterdrückungen beseitigen, die durch den Tumor hervorgerufen werden.

Welche Erfolge erzielen Sie dabei?

Gaipl: Die Kombination aus Strahlentherapie und Immuntherapie kann lang anhaltende Anti-Tumor-Immunreaktionen auslösen, das heißt, nach Beseitigung des Tumors besteht weiterhin Schutz gegen das erneute Auftreten der spezifischen Krebsart.

Auf der Jahrestagung der GBS kommen Mediziner, Biologen und Physiker zusammen. Was kann diese interdisziplinäre Zusammenarbeit für die weitere Entwicklung der Strahlenmedizin leisten?

Gaipl: Zunächst einmal arbeiten die Physiker permanent an der technischen Weiterentwicklung der Bestrahlungsgeräte. Ohne sie könnten wir heute keine solch hohen Dosen applizieren und zugleich das umliegende gesunde Gewebe schonen. Die Biologen ergründen die Mechanismen der Radioimmunologie, um Klinikern quasi Anleitung geben zu können, wie und in welcher zeitlichen Abfolge die Strahlentherapie mit Immuntherapeutika kombiniert werden sollte. Und die Mediziner setzen schließlich die präklinischen Daten in klinische Studien um – „from lab to clinic and back“, wie wir sagen. Insgesamt eine sehr fruchtbare und für die Patienten gewinnbringende Kooperation.

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU)

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