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Neugeborenen-Screening auf Tyrosinämie Typ I

Der G-BA hat das IQWiG beauftragt, Nutzen und Schaden eines Screenings von Neugeborenen auf Tyrosinämie Typ I zu bewerten. © didesign021 / iStock / Thinkstock

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Vorbericht erschienen: Neugeborenen-Screening auf Tyrosinämie Typ I

Tyrosinämie Typ I ist eine seltene, erbliche Stoffwechselerkrankung, die unbehandelt bereits im Säuglingsalter zu schweren Schädigungen von Leber und Niere führen kann. Ob eine Früherkennungs-Untersuchung von Neugeborenen mittels Tandem-Massenspektrometrie einen Nutzen oder Schaden haben kann, ist derzeit Gegenstand einer Untersuchung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Tyrosin ist eine Aminosäure, die in Proteinen der Nahrung vorkommt. Bei der Tyrosinämie Typ I führt eine Genmutation zu einer Fehlfunktion eines Enzyms, das zum Abbau von Tyrosin beiträgt. Dadurch entstehen toxische Stoffwechselprodukte, die Organe wie Leber, Niere aber auch Gehirn und Nerven schwer schädigen können. Derzeit wird Tyrosinämie Typ I regelhaft mit Medikamenten (NTBC, Nitisinon) und proteinarmer Diät therapiert. Fachleute gehen davon aus, dass eine möglichst frühe Behandlung die Chancen erhöht, Schäden vermeiden zu können. 

In Deutschland wird das sogenannte erweiterte Neugeborenen-Screening durchgeführt. Die Teilnahme an diesen Untersuchungen ist freiwillig. Ziel ist es, frühzeitig Krankheiten zu erkennen, die die körperliche oder geistige Entwicklung gefährden könnten. Welche Krankheiten dies sind und welche Tests angewendet werden sollen, wird vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) in den sogenannten Kinder-Richtlinien festgelegt.

Die Tyrosinämie Typ I ist dort noch nicht verankert. Der G-BA hatte nun das IQWiG beauftragt, Nutzen und Schaden eines Screenings von Neugeborenen auf Tyrosinämie Typ I zu bewerten, bei dem die Tandem-Massenspektrometrie (MS/MS) angewendet wird. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, mit dem unter anderem getrocknetes Blut analysiert wird.

Auch Studien niedriger Evidenzstufen recherchiert

Die Aussagesicherheit von Kohortenstudien ist wesentlich geringer als bei randomisiert kontrollierten Studien (RCT), ihre Ergebnisse sind also weniger belastbar. Dennoch suchte das IQWiG nicht nur nach RCT, sondern auch nach vergleichenden Kohortenstudien, auch nach solchen, die retrospektive oder historische Vergleiche anstellten. Denn aufgrund der Seltenheit der Erkrankung war zu erwarten, dass es nur relativ wenige Studiendaten geben würde. An Tyrosinämie Typ1 erkrankt weltweit nur etwa eines von 100 000 Kindern. In Deutschland wurden 2013 insgesamt 25 Fälle in Kliniken behandelt.

Die Wissenschaftler fanden keine Studie, in der gesundheitliche Vor- und Nachteile bei einer Gruppe mit Screening mit einer Gruppe ohne Screening verglichen wurden. Sie identifizierten aber einige wenige Interventionsstudien, die einen früheren mit einem späteren Therapiebeginn verglichen und dabei patientenrelevante Endpunkte wie etwa Sterblichkeit, Leberversagen oder Klinikaufenthalte berichteten. In die Bewertung einbeziehen konnte das IQWiG auch eine Studie zur diagnostischen Güte, bei der positive Testergebnisse der Tandem-Massenspektrometrie durch einen anschließenden Gentest überprüft wurden.

Keine dramatischen Effekte

Aufgrund ihres Designs hätten Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen sehr groß sein müssen, um daraus einen Vor- oder Nachteil des Screenings ableiten zu können. Gibt es einen „dramatischen Effekt", lassen sich Nutzen oder Schaden medizinischer Interventionen auch mit Nicht-RCTs belegen.

Dies war jedoch bei keiner der einbezogenen Studien der Fall. Die gemessenen Unterschiede waren gering. Offenbar führt also auch eine Behandlung, die erst dann beginnt, wenn erste Symptome auftreten, nicht vermehrt zu schweren Schäden bei den betroffenen Kindern. Die Studie zur diagnostischen Güte war ebenfalls nur eingeschränkt belastbar, da unter anderem Angaben zur Auswahl der Patienten und zum zeitlichen Ablauf fehlten.

Quelle: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

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