Ein Kleid – zwei Wahrnehmungen. Für die einen ist es schwarz-blau, für die anderen weiß-gold.
Im Rahmen einer funktionellen Magnet-Resonanz-Tomographie (fMRT)-Studie ist die Neuroplasticity-Gruppe um Prof. Dr. Tobias Schmidt-Wilcke der Neurologischen Klinik am Bergmannsheil (Direktor: Prof. Dr. Martin Tegenthoff) dem Rätsel um das Kleid auf den Grund gegangen.
Binnen kürzester Zeit hatte das Kleidungsstück die weltweite Aufmerksamkeit von Medien und Wissenschaftlern auf sich gezogen. Viele renommierte Forschungsinstitute haben sich inzwischen dem Phänomen gewidmet und die Psychophysik sowie die Einzelheiten der Bildkomponenten untersucht.
Die Bochumer Forscherinnen Lara Schlaffke, Lauren Haag und Anne Golisch konnten die bisherigen Erkenntnisse jetzt im Hinblick auf die durch die Wahrnehmung differierenden Vorgänge im menschlichen Gehirn erweitern.
Keine Aktivierungsunterschiede bei Farb-Kontrolle
An der Bochumer Studie nahmen Probanden teil, die das Kleid weiß-gold bzw. schwarz-blau wahrnehmen. Beide Gruppen betrachteten das Kleid , während sie im Kernspintomographen lagen. Als Kontrollbedingung betrachteten die Teilnehmer zudem Farbquadrate, welche die exakt gleichen Farbeigenschaften wie das Foto des Kleides aufwiesen. Bei der Benennung der Farben dieser Quadrate, sowie bei der Analyse der Hirnaktivierung während der Betrachtung der Farbquadrate, zeigten sich keine Gruppenunterschiede.
Das Kleid aktiviert frontale und parietale Hirnareale
Die Wissenschaftler analysierten anschließend die Hirnaktivierungen beider Gruppen während der Betrachtung des Kleides und konnten zeigen, dass im direkten Vergleich ein und dasselbe Foto, je nach Wahrnehmung, zu unterschiedlichen Hirnaktivierungen führte.
Alle Probanden, die das Kleid weiß-gold wahrnahmen, zeigten zusätzliche Aktivierungen vor allem in frontal und parietal gelegenen Hirnarealen. Frontale Regionen sind besonders bei höheren kognitiven Leistungen involviert wie Aufmerksamkeitsausrichtung und Entscheidungsfindung, während parietale Areale visuelle Informationen aus dem Okzipitallappen verarbeiten.
Einzigartige Forschungsoptionen
Das aktuelle Phänomen bietet einzigartige Forschungsoptionen zur Untersuchung visueller Illusionen: Zum ersten Mal öffnet sich der Wissenschaft die Möglichkeit, eine Kontrollgruppe bei zweideutigen Wahrnehmungen zu untersuchen.
Zuvor gab es keine optische Täuschung, bei der es exakt zwei Wahrnehmungen gibt, die nicht willentlich manipuliert werden können. Vor diesem Hintergrund konnte die Bergmannsheiler Forschergruppe Hirnareale identifizieren, die optische Täuschungen herbeiführen.
„Dieses Ergebnis erweitert unser Wissen über illusionäre Verarbeitungsprozesse im Gehirn. Mit Hilfe dieser Forschungsarbeit konnten beteiligte Hirnareale quantifiziert und ein Grundstein für weitere Forschungsvorhaben im Bereich der visuellen Verarbeitung gelegt werden", so die erfolgreichen Forscherinnen, die sich ansonsten in einem anderen Zusammenhang mit Kleidern beschäftigen.
Quelle: idw – Informationsdienst Wissenschaft
Weitere Informationen
Publikation: M. Tegenthoff et al., (2015). The Brain’s Dress Code: How The Dress allows to decode the neuronal pathway of an optical illusion., Science Direct, doi:10.1016/j.cortex.2015.08.017