Schlaflosigkeit oder Insomnie, wie es in der Medizin heißt, ist weit verbreitet: Schätzungen zufolge sind in der EU rund sieben Prozent der Bürger von Ein- oder Durchschlafstörungen betroffen. „Das ist vor allem mit Blick auf mögliche Folgeerkrankungen beunruhigend“, erklärt Prof. Dr. Konrad Oexle, Wissenschaftler am Institut für Neurogenomik des Helmholtz Zentrums München. „Insomnie führt nicht nur unmittelbar zu einem Leistungsabfall, sondern ist langfristig auch ein Risikofaktor für Depressionen, Herzkreislauferkrankungen, Diabetes und Fettleibigkeit.“
Mehr als 100 000 Probanden untersucht
Dabei zeigte sich in der Vergangenheit, dass nicht nur der Stress des Tages dafür verantwortlich ist, dass man nachts kein Auge zu bekommt: Bei Frauen scheint das Problem in rund 60 Prozent der Fälle vererbbar zu sein, bei Männern sind es rund 40 Prozent. Um herauszufinden, welche Gene konkret für Insomnie verantwortlich sind, haben Wissenschaftler um Oexle gemeinsam mit Kollegen aus den Niederlanden und Island eine groß angelegte Studie unternommen.
Sie untersuchten das Erbgut von 113 006 Probandinnen und Probanden der UK Biobank und suchten nach Besonderheiten bei jenen, die unter Schlafstörungen litten. Dabei fielen den Autoren sieben Gene und drei weitere Stellen im Erbgut auf. Diese Kandidaten testeten sie dann statistisch an Daten von weiteren 7565 Probanden und konnten so insgesamt sechs Bereiche im Genom als relevant bestätigen.
Zusammenhang mit Restless Legs?
Ein Gen stelle sich dabei als besonders interessant heraus. „Unser Top-Kandidat MEIS1 spielt mit größter Wahrscheinlichkeit eine tragende Rolle bei Schlaflosigkeit“, erklärt Prof. Dr. Juliane Winkelmann, Direktorin des Instituts für Neurogenomik sowie Inhaberin des Lehrstuhls für Neurogenetik an der TUM und Mitautorin der Studie.
„Das ist auch deshalb interessant, weil das Gen MEIS1 auch mit dem Restless Legs Syndrom in Verbindung steht, mit dem wir uns seit Jahren befassen.“ Konrad Oexle blickt in die Zukunft: „Unsere Studie kann als konkreter Ausgangspunkt für neue molekularbiologische Untersuchungen zur Entstehung und Behandlung der Insomnie dienen.“
Langfristig wollen die Wissenschaftler dem immer größer werdenden Anteil der Bevölkerung, der unter Schlafstörung leidet, neue Therapiemöglichkeiten eröffnen. In ihren Augen würden zu wenige Studien zur Ursachenforschung betrieben, gerade in Anbetracht der Begleit- und Folgeerkrankungen. Oexle: „Das Problem wird zu oft nur in der Psyche der Betroffenen gesucht, unsere Studie zeigt aber: es liegt auch in den Genen.“
Quelle: Helmholtz Zentrum München
Originalpublikation: Hammerschlag, A.R. et al.; Genome-wide association analysis of insomnia complaints identifies risk genes and genetic overlap with psychiatric and metabolic traits, Nature Genetics, 2017; DOI: 10.1038/ng.3888