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Welche Mechanismen schützen die Bakterien vor Antibiotika und machen sie resistent? Seit 2011 ist bekannt, dass Bakterien durch Sulfid (Schwefelwasserstoff) vor verschiedenen Antibiotika geschützt werden. Einen solchen „universellen“ Resistenzmechanismus konnte der Fabian Grein vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) nun jedoch mit einer neuen Technik widerlegen.

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Krankheitserreger: Wie Antibiotikaresistenzen gebildet werden

Welche Mechanismen schützen die Bakterien vor Antibiotika und machen sie resistent? Seit 2011 ist bekannt, dass Bakterien durch Sulfid (Schwefelwasserstoff) vor verschiedenen Antibiotika geschützt werden. Einen solchen „universellen“ Resistenzmechanismus konnte der Fabian Grein vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) nun jedoch mit einer neuen Technik widerlegen.

Mit seiner Arbeitsgruppe an der Universität Bonn untersuchte Fabian Grein den Einfluss von Sulfid auf die Empfindlichkeit von Staphylococcus aureus gegenüber den wichtigsten Antibiotikaklassen. „Zielstrukturen gegen Staphylokokken“ sind das Thema des Nachwuchsgruppenleiters im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) und so lag es auf der Hand, auch das „Sulfid-Postulat“ an Staphylokokken zu überprüfen, die zu den gefürchteten Krankenhauskeimen zählen.

Welcher Mechanismus könnte dieser angenommenen Schutzfunktion von Sulfid zugrunde liegen? Und könnte man diesen gezielt angreifen und damit die Resistenz der Bakterien brechen? Schützt Sulfid die Bakterien universell vor Antibiotika? Um die Wirkung von Sulfid auf die Bakterien untersuchen zu können, mussten die Wissenschaftler zunächst einen modifizierten Agardiffusionstest entwickeln, der eine kontinuierliche Inkubation mit Sulfid ermöglicht.

Nur so kann der schnellen Oxidation des Schwefelwasserstoffs entgegengewirkt werden. Mit diesem System wurden die Staphylokokken systematisch und vergleichend mit den wichtigsten Antibiotikaklassen konfrontiert.

Postulat widerlegt

„Wir konnten mit unserer Technik zeigen, dass Sulfid die Bakterien ausschließlich vor Aminoglykosiden schützt“, erklärt Fabian Grein. Aminoglykoside sind eine heterogene Gruppe von Antibiotika, die die Proteinbildung bei den Bakterien stören und so ihren Tod herbeiführen. Wichtige Vertreter sind Gentamicin, Streptomycin oder Kanamycin. Bislang wurde angenommen, dass Sulfid den oxidativen Stress reduziert, der durch jede Antibiotikabehandlung entstehen soll.

Dieses Postulat konnten die Forscher des DZIF-Forschungsbereichs „Krankenhauskeime und Antibiotika-resistente Bakterien“ nun widerlegen. „Aminoglykoside müssen als einzige Antibiotikaklasse die Bakterienmembran energieabhängig durchqueren, um mit ihrem Ziel in Kontakt zu kommen“, erklärt Fabian Grein. Mit seiner Gruppe konnte er zeigen, dass zugegebenes Sulfid die Zelle partiell vergiftet, so dass nicht mehr genügend Energie für die Aufnahme der Aminoglykosid-Antibiotika zur Verfügung steht.

Die Zelle ist somit geschützt. Dieser Mechanismus ähnelt dem der sogenannten „Small Colony Variants“ (kurz: SCV). Diese S. aureus-Subpopulationen bilden sich besonders bei chronisch-persistierenden Infektionen. SCVs weisen aufgrund von Mutationen ein geringeres Membranpotential auf und sind durch die verringerte Aminoglykosid-Aufnahme resistent gegenüber dieser Antibiotikaklasse.

Überraschendes Ergebnis

Fabian Grein gibt zu, dass er selbst etwas überrascht war, das jahrelange Postulat der „universellen Schutzfunktion“ von Sulfid zu Fall gebracht zu haben. „Wir sehen außerdem, dass die Produktionsmengen von Sulfid zwischen verschiedenen Bakterienarten stark variieren und im Fall von Staphylococcus aureus für einen effektiven Schutz gegenüber Antibiotika zu gering sind.“

Grein und sein Team wollen nun weiter nach neuen Zielstrukturen gegen Staphylokokken suchen. „Es wäre natürlich schön gewesen, eine Substanz wie Sulfid als Schuldigen dingfest machen zu können und auf der Basis eine universelle Strategie gegen Antibiotikaresistenzen zu entwickeln.“

Aber das Team arbeitet bereits an weiteren Zielstrukturen. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf Angriffspunkten, die eine spezifische Abtötung der Erreger erlauben, oder deren Manipulation die Empfindlichkeit gegenüber klassischen Antibiotika wiederherstellt.

Quelle: Deutsches Zentrum für Infektionsforschung e.V.


Originalpublikation: Julia Weikum et al., Sulfide protects Staphylococcus aureus from Aminoglykoside Antibiotics but cannot be regarded as a general mechanism against antibiotics. Antimicrobial Agents and Chemotherapy Oktober 2018, 62(10), DOI: 10.1128/AAC.00602-18

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