Branche
on
Wie sich das Hepatitis-B-Virus der Immunabwehr entzieht

Hepatitis B ist ein großer Risikofaktor für die Entstehung von Leberzirrhose und Leberzellkarzinom. © urfinguss / iStock / Getty Images Plus

| | | |

Kapsid-Abschirmung: Wie sich das Hepatitis-B-Virus der Immunabwehr entzieht

Mehr als 250 Millionen Menschen weltweit sind chronisch mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) infiziert, das über Blut und andere Körperflüssigkeiten übertragen wird. Hepatitis B ist ein großer Risikofaktor für die Entstehung von Leberzirrhose und Leberzellkarzinom. Forschende des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, haben im Verbund mit weiteren Forschergruppen untersucht, wie sich HBV der Abwehr durch das Immunsystem entzieht.

Das angeborene Immunsystem ist nach der Infektion durch Viren und andere Krankheitserreger die erste Verteidigungslinie. Molekulare Muster, die für Erreger typisch sind, sogenannte pathogenassoziierte molekulare Muster (PAMP), werden von zellulären Pathogenerkennungsrezeptoren (PRR) erkannt. Dadurch werden Signalwege ausgelöst, die zu immunologischen Abwehrreaktionen des Körpers führen.

Solche molekularen Muster sind bei Virusinfektionen häufig die genetische Information des Virus, RNA (Ribonukleinsäure) oder DNA (Desoxyribonukleinsäure). Doch auch die Erreger haben „dazugelernt“ und Strategien entwickelt, um den Abwehrmechanismen zu entkommen. Dazu gehört die Hemmung von Signalwegen der angeborenen Immunantwort durch virale Proteine ebenso wie die Abschirmung des viralen Genoms vor den „Sensoren“ des Immunsystems.

Stimulierung spezifischer Immunzellen wäre erforderlich

Obwohl die Erkrankung lange bekannt ist, beschränkt sich die Behandlung einer chronischen HBV-Infektion nach wie vor darauf, durch dauerhafte Einnahme von Virusstatika die Viruslast niedrig und die gesundheitlichen Auswirkungen möglichst gering zu halten. Eine kurative Behandlung steht nicht zur Verfügung. Es wird angenommen, dass hierfür neben der Senkung der Viruslast die Stimulierung spezifischer Immunzellen gegen HBV erforderlich wäre.

Um dies zu ermöglichen, muss besser als bisher verstanden werden, wie sich das Hepatitis-B-Virus der erfolgreichen Abwehr des Immunsystems entzieht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. Renate König, Leiterin des Fachgebiets "Zelluläre Aspekte von Pathogen-Wirt-Interaktionen" des PEI, sind im Verbund mit weiteren Forschergruppen aus Deutschland dieser Frage nachgegangen.

Immunstimulierendes Potenzial der reinen HBV-DNA und -RNA

Die genetische Information des HBV liegt als DNA und auf dem Weg zu neuen Viruspartikeln auch als RNA vor. Sowohl die RNA als auch die DNA des HBV sind potenzielle pathogenassoziierte molekulare Muster, die vom Immunsystem erkannt werden könnten. Das Forscherteam untersuchte daher das immunstimulierende Potenzial der reinen HBV-DNA und -RNA in bestimmten Immunzellen, den von Monozyten abgeleiteten dendritischen Zellen (MDDCs). Dabei konnten sie erstmalig zeigen, dass HBV-RNA nicht immunstimulierend ist, HBV-DNA dagegen schon.

Über einen bestimmten Signalweg, der auch in Leberzellen (Hepatozyten) vorhanden ist, ruft die HBV-DNA eine starke angeborene Immunantwort hervor. Gleichzeitig wies das Forscherteam nach, dass dieser Signalweg bei einer manifesten HBV-Infektion nicht aktiviert wird, obwohl das Virus ihn, darauf deuten die Daten hin, nicht aktiv unterdrückt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass die virale DNA vom Kapsid, der Hülle des Virus, vor der Erkennung durch das Immunsystem geschützt wird. Ein denkbarer Ansatz, das Immunsystem für die Abwehr des HBV wachzurütteln, könnte sein, die Kapsidstruktur des Virus zu beschädigen und so die Virus-DNA „sichtbar“ zu machen.

Sicherheit von Blut und Blutprodukten

Die Grundlagenforschung ist nicht die einzige Aktivität, mit der das PEI sich im Kampf gegen HBV engagiert. Das Blut ist einer der Hauptübertragungswege des HBV und das PEI ist zuständig für die Sicherheit von Blut und Blutprodukten in Deutschland. Es legt gemeinsam mit der Bundesärztekammer die Richtlinien für die Herstellung und Anwendung von Blutprodukten fest. Zudem erfasst das Paul-Ehrlich-Institut im Rahmen seiner Hämovigilanzaktivitäten systematisch Zwischenfälle bei der Herstellung von Blutkomponenten sowie schwerwiegende unerwünschte Reaktionen beim Spender oder Empfänger von Blutkomponenten.

Werden Risiken erkannt, werden Maßnahmen zum Schutz eingeleitet. Regelmäßig werden die Meldungen im Hämovigilanzbericht des PEI publiziert. Dank umfassender Schutzmaßnahmen, zu denen u.a. die Testung aller Blutspenden auf das HBV (HbsAg, anti-Hbc) gehört, wurde beispielsweise im Zeitraum 2016 und 2017 in Deutschland nicht ein Fall einer gesicherten HBV-Übertragung gemeldet. Der wirksamste Schutz vor Hepatitis B ist die HBV-Impfung. 

Quelle: Paul-Ehrlich-Institut – Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel


Originalpublikation: Lise Lauterbach-Rivière et al.; Hepatitis B Virus DNA Is a Substrate for the cGAS/STING Pathway but Is Not Sensed in Infected Hepatocytes; Viruses 12, 2020, DOI: https://doi.org/10.3390/v12060592

Newsletter abonnieren

Newsletter Icon MTA Blau 250x250px

Erhalten Sie die wichtigsten MT-News und Top-Jobs bequem und kostenlos per E-Mail.

Mehr zum Thema

Antikörper
Dendritische Zellen aktivieren T-Zellen

Das könnte Sie auch interessieren

Leukämie
Schwangere Frau beim Ultraschall
Viruszelle