In manchen der Zellen sind Gene dadurch unter die Kontrolle eines neuen Promotors gelangt, so dass größere Mengen eines Proteins gebildet werden. In einem anderen Fall haben sich zwei benachbarte Gene miteinander vereinigt. Das aus Anteilen der beiden ursprünglichen Gene zusammengesetzte Protein besitzt einen anderen Bestimmungsort innerhalb der Zellen – ein Effekt, der auch aus anderen Organismen wie dem Menschen bekannt ist.
Die Folge einer solchen Genfusion sind Bakterienzellen, die besser an ihre Umgebung angepasst sind. Änderungen im genetischen Code bestehender Gene, sogenannte Mutationen, können einen Organismus mit neuen Eigenschaften ausstatten. Auch die Verdopplung von Genen oder der Einbau zusätzlicher DNA-Abschnitte können seine Anpassungsfähigkeit erhöhen.
Gene können im Lauf der Evolution sogar komplett neu entstehen. Zuvor funktionslose Abschnitte des Erbguts werden dabei so verändert, dass sie die Vorlage für Proteine liefern. Ein weiterer bereits bekannter Mechanismus ist die Fusion zweier Gene, aus der dann ein neues Protein hervorgehen kann.
Der Evolution zusehen
„Dieses Wissen beruht auf Erbgutvergleichen verschiedener Organismen. Da die Evolution meist sehr langsam arbeitet, lassen sich solche Veränderungen im Erbgut in der Regel nicht in Echtzeit beobachten – geschweige denn, wie sie das Überleben seines Trägers beeinflussen“, sagt Paul Rainey vom Max Planck Institut für Evolutionsbiologie. Der Forscher konzentriert sich deshalb auf Bakterien.
Diese vermehren sich nicht nur außerordentlich schnell, sie lassen sich auch auf kleinem Raum in riesiger Zahl im Labor züchten. Die dabei entstehenden Veränderungen im Erbgut können Forscher dann untersuchen und der Evolution so förmlich bei der Arbeit zusehen. Rainey untersucht, wie das Bakterium Pseudomonas fluorescens neue Eigenschaften hervorbringt, mit denen es in den Kulturschalen seines Forschungslabors am besten überleben kann.
Ursprünglich wachsen die Bakterien in flüssigem Kulturmedium. Mit der Zeit brauchen sie den darin enthaltenen Sauerstoff auf und bereiten so den Boden für eine neue Variante. Diese bilden Bakterienmatten an der Oberfläche, so dass sie Sauerstoff aus der Luft aufnehmen können. Diese Zellen lassen sich leicht an dem faltigen Aussehen ihrer Kolonien erkennen.
Bislang unbekannte Mutationen
Auslöser der Mattenbildung sind Rainey und seinen Kollegen zufolge verschiedene Mutationen in Genen, die die Aktivität von Di-Guanylatzyklase-Enzymen hemmen. Diese Mutationen schalten Hemmstoffe aus, so dass die Di-Guanylatzyklasen aktiv werden können. Aber als die Forscher die hemmenden Signalwege unterbanden, stießen sie auf bislang unbekannte Mutationen, die die Bildung von Bakterienmatten ermöglichten.
In einigen dieser Fälle ist das Di-Guanylatzyklase-Gen unter die Kontrolle eines anderen Promotors gelangt und wurde dadurch vermehrt produziert. In manchen der neuen Bakterienzellen blieb die Aktivität des Gens jedoch unverändert. Eine Analyse der Mutationen in diesen Zellen ergab, dass diese Mutanten ein „chimäres“ Gen besitzen, das aus dem Di-Guanylatzyklase-Gen und einem benachbarten Gen zusammengesetzt ist. Letzteres ist sonst in der Zellmembran aktiv.
„Es muss also zu einer Fusion zweier Gene gekommen sein, deren Proteine sonst an unterschiedlichen Orten in der Zelle vorkommen“, erklärt Rainey. Das neue Protein besitzt eine Membrandomäne und ist damit in der Zellmembran verankert. Dadurch kann es aktiv werden. Auch in anderen Organismen wechseln Proteine, die aus Genfusionen hervorgegangen sind, häufig ihren Bestimmungsort. So ist beim Menschen das sogenannte Kua-UEV-Gen das Resultat einer Fusion des Kua- und des UEV-Gens.
Das neue UEV-Protein kann sich nun an Membrane innerhalb der Zelle anlagern und neue Aufgaben übernehmen. Beim Menschen enthalten 64 Prozent der Gen-Familien für Mitochondrien-Proteine ein Gen für ein Protein, das anderswo in der Zelle aktiv ist. „Obwohl Fusionen von Genen in unseren Experimenten nur rund 0,1 Prozent der Fälle ausmachten, in denen Mutationen zu dem faltigen Zelltyp führten, könnten Fusionen in der Natur deutlich häufiger auftreten“, sagt Rainey.
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft