Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Deutschen Krebshilfe. Jedes Jahr erkranken ca. 1,8 Millionen Menschen weltweit an Darmkrebs, etwa die Hälfte von ihnen stirbt daran.
Verwandte ersten Grades wie Kinder oder Geschwister von Darmkrebspatienten haben ein erhöhtes Risiko, selbst an Darmkrebs zu erkranken. Mit einem regelmäßigen Screening lässt sich dieses Krebsrisiko allerdings deutlich verringern. Die Vorsorgeempfehlung für alle, die Darmkrebs in der Familie haben lautet daher: Vorsorgebeginn zehn Jahre vor dem Diagnosealter des jüngsten erkrankten Familienmitglieds, spätestens aber mit 40 bis 45 Jahren.
Ergibt die Familienanamnese einen Hinweis auf Vorliegen eines erblichen Darmkrebsrisikos in der Familie, wird empfohlen, dass Verwandte ersten Grades bereits ab dem Alter von 25 Jahren regelmäßig eine Darmspiegelung durchführen lassen.
Rückschlüsse auf Erkrankungsrisiko
„Obwohl schon lange bekannt ist, dass ein Zusammenhang zwischen einer familiären Belastung und einem erhöhten Risiko selber an Darmkrebs zu erkranken besteht, wurden die einzelnen Verwandtschaftsgrade bisher nicht im Detail untersucht“, berichtet Mahdi Fallah, Leiter der Arbeitsgruppe „Risikoadaptierte Prävention“ in der Abteilung Präventive Onkologie am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg.
Die Wissenschaftler des DKFZ und NCT Heidelberg werteten daher zusammen mit Kollegen aus Schweden, Japan und den USA den weltweit größten Datensatz zu Patienten mit familiärem Krebsrisiko aus. Über 16 Millionen Personen aus Schweden sind in diesem Datensatz erfasst.
Hiervon bekamen 173 796 Menschen Darmkrebs im Laufe ihres Lebens. Anhand der Stammbäume und Familiengeschichte konnten die Forscher Rückschlüsse auf das Erkrankungsrisiko der Verwandten ersten und zweiten Grades ziehen.
Ergebnisse der Untersuchung
Die Ergebnisse ihrer Untersuchung zeigten, dass Geschwister von Darmkrebspatienten ein 1,7- Fach erhöhtes Risiko haben an Darmkrebs zu erkranken gegenüber Geschwistern aus Familien ohne Darmkrebsfälle. Ein vergleichbares Risiko errechneten die Forscher für Halbgeschwister. Halbgeschwister haben damit ein höheres Erkrankungsrisiko als andere Verwandte zweiten Grades, wie beispielsweise ein Großelternteil oder eine Tante.
Das höchste Erkrankungsrisiko haben Menschen in deren Familie mehrere Verwandte ersten als auch zweiten Grades erkrankt sind. „Wir konnten nachweisen, dass das familiäre Risiko für Halbgeschwister von Darmkrebspatienten deutlich höher war als bisher erwartet. Halbgeschwister sollten daher bei der Familienanamnese in der Risikobewertung für eine Darmkrebserkrankung wie Verwandte ersten Grades eingestuft werden“, rät Fallah.
„Zugleich zeigen die Ergebnisse aber auch, dass neben den Genen auch gemeinsame Lebensbedingungen und Lebensgewohnheiten innerhalb von Familien bei der familiären Häufung von Darmkrebs eine große Rolle spielen, denn sonst würde man deutliche Unterschiede im Risiko für „Vollgeschwister“ und Halbgeschwister erwarten“, ergänzt Hermann Brenner, der Leiter der Abteilung Präventive Onkologie am DKFZ.
Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum
Originalpublikation: Yu Tian et al., Familial colorectal cancer risk in half siblings and siblings: nationwide cohort study, thebmj 2019, Doi:10.1136/bmj.l803