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Dem Auslöser auf der Spur

Antikörper greifen nicht nur die Bakterien, sondern auch körpereigene Nervenzellen an. © Svisio / iStock / Thinkstock

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Guillan-Barré-Syndrom: Dem Auslöser auf der Spur

Forscher unter Beteiligung der Universität Zürich haben nachgewiesen, dass das Bakterium Mycoplasma pneumoniae, häufig Verursacher von Lungenentzündungen, die Autoimmunkrankheit Guillain-Barré-Syndrom (GBS) auslösen können. Bei dieser bedrohlichen Nervenerkrankung kommt es zu Empfindungsstörungen und Lähmungserscheinungen.

Unter Verdacht stand das Bakterium Mycoplasma pneumoniae schon länger. Nun haben Forschende der Universität Zürich, des Kinderspitals Zürich und der Erasmus Universität Rotterdam den Täter zweifelsfrei überführt. Die sogenannten Mykoplasmen sind nicht nur verantwortlich für Atemwegsinfektionen wie Lungenentzündungen bei Kindern und Erwachsenen, sondern können bei Betroffenen auch zu einem Guillain-Barré-Syndrom (GBS) führen. Den Wissenschaftlern gelang es erstmals, Mykoplasmen von einem GBS-Patienten im Labor zu kultivieren.

Antikörper greifen auch Nervenbahnen an

Ausschlaggebend dafür ist die große Ähnlichkeit von Strukturen auf der Oberfläche der Bakterien mit körpereigenen Strukturen der Nervenscheiden. Diese führt dazu, dass sich die Immunabwehr sowohl gegen die Mykoplasmen als auch gegen die umhüllende Myelinschicht von Nervenbahnen richtet. „Dabei handelt es sich um Antikörper, die ein bestimmtes bakterielles Glykolipid erkennen: ein Zucker-Fett-Molekül, das auf der Zellmembran der Erreger sitzt. Diese Antikörper binden gleichzeitig an Galactocerebrosid (GalC), einer der häufigsten Bausteine im menschlichen Myelin", schildert Patrick Meyer Sauteur, Erstautor der Studie.

Diese fettreiche Substanz stellt die elektrische Leitfähigkeit der Nervenfasern sicher. Wird sie zerstört, kommt es zu Lähmungen an Armen und Beinen, Schwäche und Empfindungsstörungen. Bereits zuvor wurden bei GBS-Patienten vereinzelt Antikörper gegen GalC nachgewiesen. Auch beim erwähnten Patienten fanden sich solche, und ihre Konzentration im Blut korrelierte mit dem Krankheitsverlauf.

Tatsächlich reagierten die Anti-GalC-Antikörper in immunologischen Tests am stärksten mit dem vom Patienten entnommenen und im Labor kultivierten Bakterienstamm. Auch weitere Mykoplasmen-Stämme reagierten, wenn auch schwächer, wohingegen andere Bakterienarten nicht erkannt wurden. Somit war der Nachweis der Kreuzreaktivität des Antikörpers erbracht.

Wechsel des Antikörper-Typs

Insgesamt untersuchten die Forschenden 189 Erwachsene und 24 Kinder mit GBS auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen Mykoplasmen (als Hinweis auf eine kürzlich zurückliegende Bakterieninfektion) und GalC (als vermuteter Auslöser von GBS), die sie mit einer Kontrollgruppe von 677 Personen verglichen. Dabei fand sich bei 3 Prozent der Erwachsenen und 21 Prozent der Kinder eine kürzliche Mykoplasmen-Infektion – häufiger als bei den gesunden Kontrollpersonen.

Nahezu gleich häufig ließen sich im Blut Antikörper gegen GalC nachweisen: bei drei Prozent der Erwachsenen und 25 Prozent der Kinder. Und auch diese reagierten mit mehreren Bakterienstämmen. Interessanterweise fanden sich Anti-GalC-Antikörper auch bei Patienten ohne GBS, die kurz zuvor mit Mykoplasmen infiziert wurden. Allerdings waren diese ausschliesslich vom Antikörper-Isotyp M (Immunglobulin M, IgM), dem im Verlauf einer Immunartwort am frühesten gebildeten Typ. Die Anti-GalC-Antikörper bei GBS-Patienten waren dagegen vom Typ IgG.

„Wir vermuten daher, dass dieser Wechsel des Antikörper-Typs für die Entstehung von GBS mitverantwortlich ist», erläutert Meyer Sauteur. «Auch bei anderen Autoimmunkrankheiten nimmt man, dass ein solcher Wechsel des Antikörper-Typs die Erkrankung verursacht. Dagegen gerichtete Immuntherapien sind daher ein neuer möglicher Ansatz, um GBS wirksam behandeln zu können."

Quelle: Universität Zürich


Publikation: Bart C. Jacobs et al.; Mycoplasma pneumoniae triggering the Guillain-Barré syndrome: a case-control study; Annals of Neurology, 2016; doi: 10.1002/ana.24755

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