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Medikamentenentwicklung weiter voranbringen

Ist nur ein einziger Baustein am Kaliumkanal TREK-1 verändert, so lässt dieser nicht nur Kalium- (K), sondern auch Natriumionen (Na) durch. © Niels Decher / Philipps-Universität Marburg

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Herzrasen: Medikamentenentwicklung weiter voranbringen

Aus dem Takt: Enthält der Bauplan einer Ionenschleuse nur einen einzigen veränderten Buchstaben, so gerät der Rhythmus des Herzens durcheinander. Das hat ein Forschungsteam entdeckt, als es molekulargenetisch untersuchte, was hinter dem Herzrasen eines Patienten steckt. Die Gruppe fand auch einen Wirkstoff, der den Ausfall der Schleuse wettmacht.

Unter Herzrasen versteht man einen beschleunigten Herzschlag, der lebensbedrohliche Ausmaße annehmen kann. Oftmals tragen äußere Anlässe wie Überanstrengung oder Stress dazu bei, dass die Störung auftritt. „Wir haben ein bislang unentdecktes Gen für diese Art von Herzrhythmusstörungen gefunden“, erklärt Professor Dr. Niels Decher von der Philipps-Universität Marburg, der die Untersuchungen zusammen mit seinem Kollegen Professor Dr. Eric Schulze-Bahr von der Universität Münster leitete.

Das Forschungsteam untersuchte mehr als 430 Patienten mit ungeklärten Herzrhythmusstörungen, darunter Fälle, bei denen das Herzrasen vom Ausflusstrakt der rechten Herzkammer ausgeht (Right ventricular outflow tract ventricular tachycardia, RVOT-VT). „Die genetische Basis der Erkrankung ist bislang weitgehend unbekannt“, führt Seniorautor Schulze-Bahr aus.

Bisher unentdecktes Gen gefunden

Bei einem der Betroffenen stieß das Team auf eine bisher unentdeckte Genveränderung: Diese bewirkt, dass Kaliumkanäle eines bestimmten Typs einen falschen Baustein enthalten. Seit seinem 45sten Lebensjahr leidet der Patient unter wiederkehrendem Herzrasen, das durch körperliche Belastung oder Stress ausgelöst werden kann. Die Wissenschaftler entschlüsselten das Erbgut des Patienten Buchstabe für Buchstabe, um zusätzliche Unregelmäßigkeiten auszuschließen, die die Herztätigkeit beeinträchtigen.

Dass unser Herz schlägt, verdankt sich elektrischen Signalen und deren Weiterleitung; die elektrischen Signale ihrerseits beruhen auf Ionen, das sind geladene Teilchen, die innerhalb von Zellen anders verteilt sind als außerhalb. Der betroffene Kaliumkanal kann geladene Kaliumionen von einer Seite der Zellhülle auf die andere Seite schleusen, um die Ionenverteilung aufrechtzuerhalten. Andersartige Ionen lässt der Kanal hingegen normalerweise nicht hindurch.

Eigenschaften des Kanals wiederherstellen

Arbeitsgruppe © Aytug K. Kiper / Philipps-Universität MarburgDie Arbeitsgruppe von Niels Decher (Mitte) fand gemeinsam mit Kollegen aus Münster heraus, was das Herzrasen eines Patienten verursacht (von links): Aytug K. Kiper, Dr. Susanne Rinné. © Aytug K. Kiper / Philipps-Universität Marburg

Die Mutation bewirkt indes, dass Natriumionen die Schleuse passieren können, was offenbar die elektrische Erregbarkeit des Herzens stark beeinträchtigt. Überdies ändern die betroffenen Schleusen ihre Aktivität, wenn sich das Muskelgewebe dehnt: „Wir fanden heraus, dass der abgewandelte Kanal eine erhöhte Dehnungsempfindlichkeit aufweist und auf Stresshormone anders reagiert als normalerweise“, legt Decher dar.

Alles zusammen führt dazu, dass es zu Rhythmusstörungen des Herzens kommt. Die gute Nachricht: Die Autorinnen und Autoren fanden einen Wirkstoff, der die Eigenschaften des Kanals vollständig wiederherstellt – er birgt also das Potenzial für ein Medikament.

„Um Herzrhythmusstörungen zu vermeiden, benötigt das gesunde Herz Ionenkanäle, die durch die Muskeldehnung aktiviert werden“, fasst Decher die Befunde zusammen.

Niels Decher leitet die Arbeitsgruppe Vegetative Physiologie an der Philipps-Universität. Eric Schulze-Bahr ist Direktor des Institutes für Genetik von Herzerkrankungen am Universitätsklinikum Münster. Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziell gefördert.

Quelle: Philipps-Universität Marburg


Originalpublikation: Niels Decher et al.; Sodium permeable and ‚hypersensitive‘ TREK-1 channels cause ventricular tachycardia; EMBO Molecular Medicine, 2017; DOI: 10.15252/emmm.201606690

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