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Dem Strukturbiologen Bernhard Rupp von der Medizinischen Universität Innsbruck ist es mit seinem früheren Mitarbeiter Andreas Naschberger und weiteren Forschenden von der Stockholm University gelungen, erstmals die Molekularstruktur von Neurofibromin in hoher Auflösung zu entschlüsseln. Die Ergebnisse bringen die Erforschung der Erbkrankheit Neurofibromatose einen großen Schritt voran.

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cryoEM-Methode: Molekulare Strukturen von Neurofibromin erforscht

Dem Strukturbiologen Bernhard Rupp von der Medizinischen Universität Innsbruck ist es mit seinem früheren Mitarbeiter Andreas Naschberger und weiteren Forschenden von der Stockholm University gelungen, erstmals die Molekularstruktur von Neurofibromin in hoher Auflösung zu entschlüsseln. Die Ergebnisse bringen die Erforschung der Erbkrankheit Neurofibromatose einen großen Schritt voran.

Veränderungen in dem wichtigen Tumorsuppressor*-Protein Neurofibromin durch Mutationen im NF1 Gen sind ursächlich für die autosomal dominant vererbbare monogenetische Erkrankung Neurofibromatose Typ 1.

„Patientinnen und Patienten, die an Neurofibromatose erkrankt sind, leiden an verschiedensten Symptomen, oft hervorgerufen von gutartigen oder bösartigen Tumoren der Haut und des Nervensystems, die schon im Kleinkindesalter auftreten können“, sagt Strukturbiologe Bernhard Rupp, der am Institut für Genetische Epidemiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck forscht.

„Mit einer Geburtenhäufigkeit von 1:3000 gehört Neurofibromatose zu einer der häufigsten Erbkrankheiten, und das Verständnis der molekularen Mechanismen dieser Erkrankung ist Voraussetzung für die Entwicklung von therapeutischen Ansätzen und Wirksoffen“, erklärt der Wissenschafter.

Neurofibromin ist in fünf bis zehn Prozent aller spontan auftretenden Tumoren mutiert und als direkter Regulator des Proto-Onkogens* RAS auch in den Fokus der Krebsforschung gerückt. Für die Strukturaufklärung haben die WissenschafterInnen eine Technik benutzt, die in den vergangenen Jahren eine Revolution in der Strukturbiologie ausgelöst hat.

Atomare Details

Mit der kryo-Elektronen Mikroskopie (cryoEM), für deren Entwicklung 2017 der Nobelpreis für Chemie verliehen wurde, ist es möglich, Projektionen von Abbildungen einzelner makromolekularer Strukturen, eingebettet in einer dünnen amorphen Eisschicht, aufzunehmen. Aus vielen dieser zweidimensionalen Projektionen kann die gesamte dreidimensionale Struktur rechnerisch rekonstruiert werden.

Dabei werden mittlerweile Auflösungen erzielt, die es erlauben, die räumliche Anordnung der Proteinmoleküle (Konformation), oft bereits in atomarem Detail, zu bestimmen. Die aktuelle Publikation zeigt eindrucksvoll, dass Neurofibromin zwei biologische Zustände einnehmen kann. In einer dieser Anordnungen ist Neurofibromin inaktiv, da seine katalytische Domäne* (GRD) durch seine eigene zentrale Kerndomäne sterisch inhibiert ist.

Das bedeutet, dass der Zugang der GRD an das Onkoprotein RAS* nicht möglich ist, was zu unkontrolliertem Zellwachstum und Krebs führen kann. In der aktiven Form von Neurofibromin kann die katalytische Domäne durch eine massive Konformationsänderung RAS binden, und RAS kann daher reguliert werden.

„Das Ergebnis zeigt, dass nicht nur RAS selbst wie ein molekularer Schalter an- und abgeschaltet werden kann, sondern, dass auch Neurofibromin einen inaktiven und aktiven Zustand besitzt", erklärt Andreas Naschberger, der das Projekt als Postdoktorand in Innsbruck zusammen mit Rupp konzipiert und das Protein hergestellt hat.

Die Struktur erklärt zudem, warum eine Vielzahl krankmachender Mutationen auch außerhalb der katalytischen Domäne auftritt, da für die beschriebene weitreichende Konformationsänderung Neurofibromin flexibel sein muss.

Diese notwendige Flexibilität kann durch Mutationen an vielen Stellen des gesamten Proteins effektiv eingeschränkt werden, sodass Neurofibromin nicht mehr in die aktive, funktionelle Form übergehen kann. Aus diesem Grund kann die Krankheit auftreten, auch wenn die Mutationen nicht in der katalytischen Domäne liegen.

Quelle: Medizinische Universität Innsbruck


*Tumorsuppressor: Ein Protein, das andere, krebsverursachende Proteine reguliert.

*Proto-Onkogen RAS: Ein Protein, das bei fehlerhafter Regulierung Krebswucherung verursacht.

*Katalytische Domaine: Ein wichtiger Teilbereich des Tumorsuppressor-Proteins Neurofibromin, der an das RAS Onkogen bindet (GRD, GTPase-activating Protein-related Domain)

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