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Neue Erkenntnisse zur Metastasierung

Nach der Streuung nisten sich die Tumorzellen im Körpergewebe ein und wachsen zu Metastasen heran. © 7activestudio / iStock / Thinkstock

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Brustkrebs: Neue Erkenntnisse zur Metastasierung

Forscher der Projektgruppe „Personalisierte Tumortherapie" des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM in Regensburg und der Universität Regensburg sowie der Icahn School of Medicine at Mount Sinai haben neue Mechanismen der Metastasierung bei Brustkrebs entdeckt. Damit widerlegen die Wissenschaftler die langjährige Behauptung, dass Krebszellen vorzugsweise in Spätstadien streuen.

Die Vorstellung, dass Metastasen eher in späten Stadien entstehen, gründete in der Beobachtung, dass die frühe Diagnose und operative Entfernung entscheidend für die Heilung von Krebspatienten sind. In den letzten Jahren kamen jedoch zunehmend Zweifel an der Gültigkeit dieser Erklärung für den therapeutischen Erfolg auf, denn auch Patienten mit kleinen Tumoren entwickeln gelegentlich Metastasen.

Außerdem weist der genetische Vergleich von gestreuten Krebszellen mit den Primärtumoren häufig nicht die erwarteten ähnlichen genetischen Muster auf. Die gestreuten Krebszellen, als Vorläufer von Metastasen, scheinen häufig schon früh in dem Krebsstammbaum abzuzweigen.

Schließlich, und auch das passte nicht in das Konzept der spät erworbenen Fähigkeit zu streuen, konnte man keinen Zusammenhang zwischen der Anzahl der gestreuten Krebszellen und der Tumorgröße feststellen. Es stand die Hypothese im Raum, dass große Tumoren weniger in der Lage sind zu streuen als die kleinen.

Kooperation von Forscherteams

Die Forschergruppen um Prof. Christoph Klein in Regensburg und Prof. Julio Aguirre-Ghiso in New York haben erstmalig Mechanismen der frühen Streuung bei Brustkrebs untersucht und herausgefunden, dass in der Brustkrebsentwicklung physiologische Prozesse, welche die Expansion und Verzweigung der Milchgänge in der Adoleszenz und der Schwangerschaft steuern, dereguliert und für die Streuung von Tumorzellen umfunktioniert werden.

Nach der Streuung nisten sich die Zellen in anderen Körpergeweben ein und wachsen nach weiteren genetischen Veränderungen möglicherweise in den Zielorganen zu lebensbedrohlichen Metastasen heran. Beide Forscherteams hatten ihre Ergebnisse zunächst unabhängig voneinander erzielt, dann kooperiert und ihre Resultate schließlich gleichzeitig publiziert. „Unsere fundamental neuen Ergebnisse werden die Krebsforschung hoffentlich ein großes Stück voranbringen", erklärt Klein.

Die Regensburger Forscher hatten schon vor Jahren die frühe Streuung von Krebszellen nachgewiesen. Sie fragten nun, welche Mechanismen in den frühen Brustkrebszellen aktiviert sind und ob und warum späte Tumoren diese Eigenschaft möglicherweise wieder verlieren, wenn sie eine unbekannte Größe überschritten haben. Sie fanden heraus, dass das Geschlechtshormon Progesteron in frühen Läsionen, auch über indirekte Wirkungen auf andere Zellen, eine zentrale Rolle spielt.

Unterdrückung von Migration und Stammzelleigenschaften

In frühen Stadien der Krebsentwicklung, die durch eine geringe Zelldichte und eine moderate Aktivierung des Onkogens HER2 ausgezeichnet sind, riefen die Progesteron-induzierten Veränderungen eine gesteigerte Migration von Zellen hervor sowie den Erwerb von sogenannten Stammzelleigenschaften, die eine wesentliche Voraussetzung für die Metastasengründung sind.

Interessanterweise unterdrückt dasselbe Hormon in fortgeschrittenen Tumoren die Migration und die Stammzelleigenschaften der Krebszellen. Als entscheidend für die Reduktion der Streufähigkeit eines Tumors fanden die Forscher die zunehmende Zelldichte und starke HER2-Aktivierung, die letztlich für das gesteigerte Wachstum verantwortlich sind.

Der Wechsel in der Wirkung von Progesteron wird über die Tumorzelldichte und sogenannte microRNAs vermittelt, die den Rezeptor für Progesteron in der Zelle herunterregulieren. Die Regensburger Forscher konnten weiterhin zeigen, dass sich im Mausmodell 80 Prozent der gebildeten Metastasen auf frühe Läsionen zurückführen lassen und dass ihre hauptsächlich am Tiermodell gewonnenen Ergebnisse auch für humane Metastasen relevant sind.

Wechselspiel reguliert Streuung

Die New Yorker Gruppe konzentriert sich seit Jahren auf die Analyse eines Signalwegs, der möglicherweise eine zentrale Rolle bei der sogenannten „tumor dormancy", der Latenzphase nach erfolgreicher Operation und dem Wiederauftreten der Erkrankung spielt, den p38-Signalweg. Sie hatte diesen Signalweg im Zusammenhang mit der sogenannten „Epithelial-Mesenchymal Transition" (EMT) untersucht, die es Zellen von Drüsenorganen wie der Brustdrüse ermöglicht, sich von stationären in mobile Zellen zu verwandeln.

Das Wechselspiel des Tumor-Suppressor-Gens p38 und des Onkogens HER2 reguliert, wie die Forscher herausfanden, die frühe Streuung von Brustkrebszellen. Interessanterweise war der p38-Signalweg auch in den Analysen der Regensburger Forscher gefunden worden. Während der Brustentwicklung werden p38, HER2 und die EMT wechselweise an- und ausgeschaltet.

Wie bei den Regensburger Experimenten ergaben sich deutliche Hinweise darauf, dass ein physiologischer Prozess, der bei der Brustentwicklung und den Veränderungen während der Schwangerschaft von zentraler Bedeutung ist, von den Tumorzellen missbraucht und zur Metastasierung genutzt wird.

Metastasierung verstehen

Die Ergebnisse der beiden Gruppen könnten auch erklären, warum etwa 5 Prozent der Krebspatienten Metastasen entwickeln, ohne dass ein Primärtumor nachgewiesen werden kann: Es ist leicht vorstellbar, dass gelegentlich Krebszellen, die frühzeitig einen sich entwickelnden Krebs verlassen, an anderem Ort „erfolgreicher" sind als die am Ursprung verbleibenden Geschwisterzellen.

Die Forscher hoffen, dass der von ihnen entdeckte Mechanismus eine grundlegende Basis zum Verständnis der Metastasierung liefert. Demnach würden Krebszellen zunächst eine frühe Streuphase bei geringer Zelldichte und eine anschließende Wachstumsphase bei hoher Zelldichte durchlaufen. Allerdings fanden die Regensburger Forscher heraus, dass auch Tumorzellen später Stadien wieder „lernen" können zu streuen – dann, wenn sie in niedriger Zelldichte vorliegen.

Voraussichtlich können deshalb Metastasen von verschiedenen Phasen der Tumorevolution stammen, frühe und späte Stadien eingeschlossen. „Da diese Stadien auch genetisch unterschiedliche Zellen umfassen und moderne Therapien häufig an genetischen Veränderungen ansetzen, müssen Therapieansätze, die auf die Eliminierung der metastatischen Aussaat zielen, diese Heterogenität der Zellen berücksichtigen, um erfolgreich zu sein", fasst Klein zusammen.

Quelle: Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM)


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