Monoklonale Antikörper haben sich in der Onkologie bei unterschiedlichen Erkrankungen bewährt. Binden sie an Krebszellen, werden Signale übertragen, die letztlich zum kontrollierten Zelltod führen. In der Diagnostik kommen Antikörper ebenfalls recht häufig zum Einsatz. Mit den üblichen Immunisierungstechnologien gelingt es jedoch nicht immer, passende Antikörper herzustellen. Auch viele therapeutisch nutzbare Zielstrukturen, die Antigene, sind noch unbekannt. Das könnte sich bald ändern.
Neue Plattformtechnologie setzt auf Vesikel
Für beide Herausforderungen hat Prof. Dr. Reinhard Zeidler eine Lösung gefunden. Er leitet die Arbeitsgruppe „Prävention und Immunmodulation“ in der Abteilung Genvektoren am Helmholtz Zentrum München. Zeidler arbeitet mit extrazellulären Vesikeln, also kleinen Bläschen, die sich von Zellen automatisch abschnüren. Diese können von gesunden Zellen oder von Krebszellen abstammen. Sie sind im Blut von Patienten zu finden, bestehen aus einer Membran und enthalten alle immunologisch wichtigen Informationen.
Bei der Herstellung neuer Antikörper arbeiten Zeidler und seine Kollegen der Core Facility Monoklonale Antikörper mit genau diesen Vesikeln. Die Methode hat gegenüber der klassischen Herstellung mit löslichen Proteinen mehrere Vorteile. Vesikel enthalten fast alle zellulären Proteine, und zwar in normaler Umgebung. Sie verändern ihre Raumstruktur nicht. Deshalb entstehen besonders leistungsstarke Antikörper. Gleichzeitig gelingt es, Antikörper gegen bislang unbekannte Antigene zu entwickeln.
Interessanter Partner für die pharmazeutische Industrie
Bereits jetzt konnte Zeidler zusammen mit Kollegen zeigen, welches Potenzial seine Methode hat. Ein erster Antikörper, der sich gegen bösartige Gehirntumoren (Glioblastoma multiforme) richtet, wird bald in einer Phase 1-Studie an Patienten untersucht. Weitere Antikörper mit diagnostischem oder therapeutischem Potenzial befinden sich in der Pipeline. „Unser Portfolio bildet eine solide Basis für eine Ausgründung“, sagt Zeidler. „Im Mittelpunkt stehen zwei Antikörper, die sich gegen CD73 und CD276 als Checkpoint-Moleküle* richten.“
Ziel sei, die Antikörper präklinisch zu validieren und im besten Fall an einen Industriepartner auszulizensieren. Bereits zugelassene therapeutische Antikörper zählen zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Arzneimitteln. „Wir glauben daher, dass eine Ausgründung zu einem attraktiven Partner für Pharmaunternehmen werden kann“, ergänzt der Wissenschaftler. Die Helmholtz-Gemeinschaft fördert die Ausgründung „Eximmium“ jetzt über ihre beiden Programme Helmholtz Enterprise und Helmholtz Enterprise Plus**.
Das Team um Prof. Reinhard Zeidler und Dr. Kathrin Gärtner erhält über ein Jahr hinweg insgesamt 115 000 Euro. Weitere 115 000 Euro kommen im Zuge der Kofinanzierung vom Helmholtz Zentrum München selbst. Der Name „Eximmium" beschreibt zum einen extrazelluläre Vesikel und ihren immunologischen Effekt und leitet sich zum anderen vom lateinischen Wort „eximius" ab, was so viel wie „außergewöhnlich" bedeutet.
Quelle: Helmholtz Zentrum München
Weitere Informationen:
* Checkpoint-Moleküle sind Oberflächenstrukturen auf Zellen des Immunsystems. Bei vielen Tumoren sind diese Proteine hochreguliert, und die Tumorzellen werden vom Immunsystem nicht angegriffen. Antikörper richten sich gegen diese Checkpoints. Es kommt zur Verstärkung der Immunreaktion gegen den Tumor.
**Helmholtz Enterprise (HE) und Helmholtz Enterprise Plus (HE Plus) bilden das interne Programm für Ausgründungen aus der Helmholtz-Gemeinschaft. In den letzten zehn Jahren haben über 100 Gründungsprojekte von der Initiative profitiert (Stand Ende 2016). Davon wurden 70 Projekte erfolgreich gegründet, von denen über 80 Prozent noch heute am Markt agieren.