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Neues Antibiotikum entdeckt

Als Krankenhauskeime bezeichnet man Bakterien, mit denen sich Patienten während eines stationären Aufenthalts oder einer ambulanten Behandlung im Krankenhaus anstecken. © megaflopp / iStock / Thinkstock

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Krankenhauskeime: Neues Antibiotikum entdeckt

Die immer stärkere Verbreitung von multiresistenten Bakterien und die damit verbundenen Risiken sind in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus gerückt. Besonders gefährlich sind sie für Patienten in Kliniken. Zusammen mit der französischen Firma DEINOVE, hat ein Wissenschaftlerteam von der TU Berlin nun eine neue Klasse von Lipopeptid-Antibiotika entdeckt, die vielversprechende Aktivitäten gegen multiresistente Bakterien aufweist.

Wie die Arbeitsgruppe des Fachgebiets Biologische Chemie um Prof. Dr. Roderich Süßmuth von der TU Berlin berichtet, wurde eine weitere Wirkstoffklasse gefunden, die gegen diese multiresistenten Bakterien gerichtet ist. Diese sogenannten „Krankenhauskeime“ sind im klinischen Bereich sehr häufig anzutreffen und stellen hier eine besondere Gefährdung des Patienten dar.

Auch wenn es bereits eine Vielzahl an mehrfach resistenten Bakterien gibt, so stellt der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus, kurz MRSA, einen der bekanntesten Keime dar. Er kann tödlich sein, vor allem für Patienten mit geschwächtem Immunsystem.

Durch die Resistenzen gegen verbreitete Antibiotika ist diesen Infektionen nur schwer bis gar nicht beizukommen. Berichte über erste „völlig resistente“ Infektionen unterstreichen die große medizinische und gesellschaftliche Bedeutung der Entwicklung neuer Antibiotika, die sich durch neue „Leitstrukturen“ grundlegend von den bereits genutzten unterscheiden.

Starke Aktivität gegen MRSA

In Kooperation mit der französischen Firma DEINOVE wurde eine Stammsammlung an Bakterien auf die Produktion von antibakteriell wirksamen Molekülen untersucht. Mit Erfolg, denn aus einer Kultur des Bakteriums „Microbacterium arborescens“ konnte eine Verbindung mit starker Aktivität gegen MRSA und andere pathogene Bakterien isoliert werden.

„Bakterien und Pilze stellen eine sehr gute Quelle für bioaktive Wirkstoffe dar, denn im Wettstreit um limitierte Ressourcen bekämpfen sich Mikroorganismen in der Natur gegenseitig. Dies können wir uns zunutze machen“, erklärt Roderich Süßmuth.

Im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) geförderten Projekts wurde zuerst die chemische Struktur des, später Microvionin genannten, Moleküls aufgeklärt und die Biosynthese im Labor nachgestellt. Dabei entdeckten die Wissenschaftler Unerwartetes: Microvionin besteht aus einem Peptid- und einem Fettsäureteil, wobei drei der Aminosäuren so modifiziert werden, dass sich zwei Ringstrukturen ausbilden, es also „bizyklisch“ ist.

Zyklisierung des Moleküls nachvollziehen

Durch dieses charakteristische Strukturmerkmal mit einer Thioetherbrücke, lässt sich Microvionin den sogenannten Lanthipeptiden zuordnen, einer Klasse an ribosomal synthetisierten und posttranslational modifizierten Peptiden (kurz RiPPs).

In mehreren Versuchsreihen konnten die Wissenschaftler die Zyklisierung des Moleküls nachvollziehen und zeigen, dass dies durch die enge Kooperation von zwei Enzymen geschieht und so die Bildung von ungewollten Nebenprodukten verhindert wird.

„Was uns zusätzlich interessiert, ist die ziemlich ungewöhnliche Fettsäuremodifikation. Hier scheinen zum ersten Mal bei ribosomal synthetisierten Peptiden zwei Biosynthesewege zusammen zu laufen, nämlich ribosomal synthetisierte Peptide und Polyketidsynthasen, deren Zusammenspiel so bisher nicht beobachtet wurde. Das ist für uns natürlich spannend und wird weiterhin intensiv erforscht“, erläutert Roderich Süßmuth.

„Genome Mining“

Vor allem aufgrund der unerwarteten Struktur und Biosynthese wollten die Wissenschaftler herausfinden, ob es noch weitere ähnliche Verbindungen in der Natur gibt. Bei dem sogenannten „Genome Mining“ werden bakterielle Genome mit dem Ziel analysiert, bestimmte Biosynthese-Gencluster entdecken zu können. Auch hier wurden die Wissenschaftler um Roderich Süßmuth fündig.

Mehr als zehn potenzielle Kandidaten konnten identifiziert werden. Aus einem dieser Stämme wurde dann mit „Nocavionin“ ein weiteres verwandtes Molekül isoliert. Dass sich die inzwischen „Lipolanthine“ getaufte Gruppe an Antibiotika bald noch weiter vergrößern wird, da ist sich Roderich Süßmuth sicher.

„Wir versuchen natürlich nun auch die anderen Moleküle zu isolieren und dann auch Rückschlüsse zwischen der Struktur und Bioaktivität zu ermitteln. Außerdem ist auch die Aufklärung der verbleibenden Schritte der Biosynthese für uns sehr interessant. Zu guter Letzt hoffen wir auch die Entwicklung von Microvionin zu einem nutzbaren Medikament vorantreiben zu können. Wir stehen bei diesem Projekt ja gerade erst in den Startlöchern und ich bin gespannt wie es jetzt weitergeht.“

Quelle: Technische Universität Berlin (TU)


Publikation: Roderich D. Süssmuth et al.; The anti-staphylococcal lipolanthines are ribosomally synthesized lipopeptides; Nature Chemical Biology, 2018; DOI: 10.1038/s41589-018-0068-6

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