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Pankreas beeinflusst Darmbakterien

Neben vielen anderen Faktoren haben die Wissenschaftler sowohl die Konzentration von Elastase, im Stuhl gemessen, als auch die stimulierte Ausscheidung von Pankreassaft. © decade3d / iStock / Thinkstock

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Mikroorganismen: Pankreas beeinflusst Darmbakterien

Im Darm leben 38 Billionen Bakterien und diese sind maßgebend dafür, ob wir gesund bleiben oder krank werden. Eine Arbeitsgruppe an der Universitätsmedizin Greifswald hat bei 1800 SHIP-Probanden entdeckt, dass die Zusammensetzung der Darmbakterien viel stärker von der Funktion der Bauchspeicheldrüse kontrolliert wird als von allen anderen bekannten Faktoren.

Fünf Männer © UMG/Manuela JankeProf. Markus M. Lerch (v.li.), Prof. Uwe Völker, Dr. Fabian Frost, Dr. Georg Homuth und Dr. Frank Ulrich Weiss © UMG/Manuela Janke

„Was uns sehr überrascht hat ist die Stärke des Effekts“, betonte der Direktor der Inneren Klinik A an der Unimedizin Greifswald, Prof. Markus M. Lerch. „Die Bauchspeicheldrüse kontrolliert die Artenvielfalt der Bakterien im Darm viel tiefgreifender als alle bisher bekannten Wirtsfaktoren wie Alter, Geschlecht, die Art der Ernährung oder zum Beispiel die Einnahme von Magensäureblockern.“

Der menschliche Körper besteht nicht nur aus Milliarden spezialisierter Zellen, in ihm leben auch zahllose Mikroorganismen mit uns zusammen, in der Regel friedlich und nutzbringend. Allein im Darm finden sich etwa 38 Billionen Bakterien (3,8 x 1013), somit deutlich mehr als alle unsere Körperzellen zusammen.

Weil Bakterien sehr viel kleiner sind als menschliche Körperzellen, kommen diese Bakterien zusammen auf ein Gewicht von nur 2 Kilogramm. Schon in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts hat der Greifswalder Internist Viktor van der Reis (1889-1957) Pionierarbeit bei der Untersuchung von Bakterien in allen Darmabschnitten geleistet.

Vor der Wende hat die Mikrobiologin Prof. Hannelore Bernhardt sogar die Darmorganismen von Kosmonauten untersucht. Hierzu züchtete man Mikroorganismen auf Petrischalen in Brutschränken. Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass sich mehr als 95 Prozent der Darmbakterien überhaupt nicht vermehren, wenn sie der Luft ausgesetzt sind, sondern eben nur im Darm wachsen.

Vielfalt im Darm ist gesundheitsfördernd

Bakterien im Körper © IStockphotosDa ist viel Leben in uns, allein die Bakterien wiegen 2 Kilogramm © IStockphotos

Durch die rasante technische Entwicklung bei Untersuchungen des Erbmaterials von Bakterien in den letzten Jahren können aber inzwischen sämtliche im Darm lebende Mikroorganismen identifiziert werden. So wissen wir heute, dass dort fast 40 000 verschiedene Bakterienarten zu Hause sind. Wie diese sich in ihrer Art und Menge zusammensetzen, hat großen Einfluss auf unsere Gesundheit und ist nicht nur bei Darminfektionen Ursache von Krankheiten.

Ein besonders artenreiches Darmmikrobiom, so nennt man die Gesamtheit der Mikroorganismen, hat gesundheitsfördernde Wirkungen und viele Erkrankungen gehen mit einer Abnahme der Diversität oder Artenvielfalt der Bakterien im Darm einher. Umgekehrt gibt es Bakterienzusammensetzungen, für die ein Zusammenhang mit ganz verschiedenen Erkrankungen hergestellt wurde, die von Diabetes und Fettleber bis zu Depression und Alzheimer-Demenz reichen.

Bei Krankheiten wie dem durch Antibiotika verursachten Durchfall (Clostridium difficile Colitis) wird sogar schon der Austausch des gesamten Darmmikrobioms therapeutisch eingesetzt und kann zur Heilung führen. Was aber bestimmt die Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm? Einerseits ist die Mischung der Bakterienarten des Menschen erblich bedingt und kann fast als persönlicher Fingerabdruck angesehen werden.

Andererseits führt schon ein zweiwöchiger Auslandsaufenthalt in Vietnam oder Mexiko aufgrund der andersartigen Ernährung zu starken Änderungen des Mikrobioms, die sich allerdings nach der Rückkehr in die vertraute Umgebung schnell zurückbilden. Andere bekannte Einflussfaktoren für die Zusammensetzung des Mikrobioms sind die Präferenz des Essens, etwa tierische Proteine oder vegane Kost, Tabakrauchen, Alkoholkonsum oder bestimmte Medikamente.

Zusammenhang zwischen Darmbakterien und Verdauung

Eine auf Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) spezialisierte Arbeitsgruppe der Universitätsmedizin Greifswald um die Klinik für Innere Medizin A und die Abteilung für Funktionelle Genomforschung hatte untersucht, ob und wie dieses Organ das Mikrobiom beeinflusst. Hierzu wurden bei 1.800 Probanden der Greifswalder Gesundheitsstudie SHIP die Zusammensetzung des Stuhlmikrobioms mittels Sequenzierung der bakteriellen Erbinformation (16S rRNA) analysiert.

Neben vielen anderen Faktoren haben die Wissenschaftler sowohl die Konzentration von Elastase, einem Verdauungsenzym der Bauchspeicheldrüse, im Stuhl gemessen, als auch die stimulierte Ausscheidung von Pankreassaft in den Dünndarm mittels Kernspintomographie. Eine verminderte Konzentration der Elastase war mit starken Veränderungen der Zusammensetzung und Artenvielfalt des Mikrobioms verknüpft.

Beispielsweise fanden sich ein Anstieg der eher gesundheitsschädlichen Prevotella-Bakterien und eine Abnahme der gesundheitsförderlichen Bacteroides-Arten. Der Einfluss des Volumens des Pankreassaftes auf die Vielfalt der Bakterienstämme war dabei deutlich geringer als die Konzentration des Verdauungsenzyms Elastase. „Ob dieser Effekt durch Peptid-Antibiotika, die die Bauchspeicheldrüse selbst produziert, oder durch eine Änderung der Verdauungsfunktion verursacht wird, ist noch unbekannt“, sagten die Erstautoren der Arbeit, Dr. Fabian Frost und Dr. Tim Kacprowski.

„Auf jeden Fall bedeutet diese Entdeckung einen wirklichen Fortschritt im Verständnis über den Zusammenhang zwischen Verdauung und Darmmikrobiom“, unterstrich Dr. Georg Homuth aus der funktionellen Genomforschung. Vorrausetzung für diese Entdeckung waren einerseits die Ressourcen der SHIP-Studie und andererseits die in Greifswald etablierte interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Quelle: Universität Greifswald


Originalpublikation: Fabian Frost et al., Impaired Exocrine Pancreatic Function Associates With Changes in Intestinal Microbiota Composition and DiversityGastroenterology 2019, doi: 10.1053/j.gastro.2018.10.047

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