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Struktur des mARC1-Enzyms abgebildet

Eine bedeutende Rolle im Stoffwechsel vermuteten die Kieler Forschenden aufgrund des universellen Auftretens des Enzyms. © Urfan Dadashov / iStock / Getty Images Plus

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Stoffwechselprozesse: Struktur des mARC1-Enzyms abgebildet

Eine der zentralen Herausforderungen für jedes Lebewesen ist es, bei der Aufnahme von Stoffen zwischen ihrer Nützlichkeit oder Schädlichkeit zu unterscheiden. Dabei helfen die unterschiedlichsten Enzyme. Ob für die Energiegewinnung aus Nahrungsstoffen oder den Abbau von toxischen Fremdstoffen, die Aufgaben der Enzyme sind vielfältig. Das Enzym mARC1 haben Forscher der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nun näher analysiert.

Im Falle der Nahrungsaufnahme kommen hochspezialisierte Enzyme zum Einsatz, die bei der Energiegewinnung aus chemisch komplexen Nahrungsstoffen helfen. Am Abbau bestimmter nicht verwertbarer oder toxischer Fremdstoffe sind hingegen gänzlich andere Enzyme beteiligt: Ähnlich wie das Immunsystem fungieren diese als Schutzbarriere des Körpers, die eine Aufnahme von Schadstoffen verhindern soll.

Im Gegensatz zu den spezialisierten Verdauungsenzymen wirken sie sehr unspezifisch, da sie auf ein breites Spektrum unterschiedlicher chemischer Verbindungen reagieren müssen, um sie dann zur Ausscheidung umzuwandeln. Ein solches Enzym des menschlichen Körpers ist zum Beispiel das an der Stickstoff-Umwandlung beteiligte sogenannte mARC1.

Ein Kieler Forschungsteam beschrieb es erstmals vor rund zehn Jahren und vermutete, dass es eine besondere Bedeutung für die Physiologie hat. Nun ist es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Institut für Pharmazie und vom Zentrum für Biochemie und Molekularbiologie (BiMo) an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gelungen, mit einer speziellen Röntgen-Kristall-Strukturanalyse ein hoch aufgelöstes strukturelles Bild des mARC1-Enzyms zu gewinnen.

Reaktion oder umgekehrte Gegenreaktion

Diese präzise Abbildung seiner räumlichen Struktur und der darin enthaltenen Moleküle liefert die Grundlage für ein besseres funktionales Verständnis der von mARC1 gesteuerten Stoffwechselprozesse. Eine bedeutende Rolle im Stoffwechsel vermuteten die Kieler Forschenden aufgrund des universellen Auftretens des Enzyms: So ist es nicht nur bei jedem Menschen, sondern auch bei allen höheren Lebewesen im gesamten Tier- und Pflanzenreich zu finden.

Im Rahmen des Stickstoffumsatzes löst es biochemische Prozesse aus, die grundsätzlich entweder in einer Reaktion oder der umgekehrten Gegenreaktion bestehen, abhängig davon, ob sie Sauerstoff binden oder freigeben. Mit diesen grundlegenden Mechanismen können sie eine wichtige Funktion in der Kontrolle von Schadstoffen übernehmen: Da Stickstoff-Verbindungen in einigen Fällen entweder besonders giftige oder das Erbgut schädigende Abbauprodukte hervorbringen, kann das Enzym zu deren Entgiftung beitragen.

Zugleich nimmt mARC1 eine Sonderstellung ein, da es erst das vierte Molybdän-haltige Enzym ist, das im menschlichen Stoffwechsel identifiziert wurde – der Fremdstoffmetabolismus ist ansonsten vor allem von eisenhaltigen Enzymen geprägt. „Wir konnten nun erstmals im Detail in das aktive Zentrum von mARC1 hineinschauen und anhand seiner Struktur auf die Funktionsweise schließen“, betont Professor Axel Scheidig, Direktor des Zentrums für Biochemie und Molekularbiologie an der CAU.

Schlüssel zur Aufklärung der Detailstruktur

„Das Enzym kann sehr effektiv beim Abbau von Schadstoffen wirken, die als Stoffwechselprodukte des Stickstoffumsatzes in der Zelle anfallen“, so Scheidig weiter. Abhängig von den Verbindungen, die es umsetzt, kann das mARC1 allerdings auch umgekehrt wirken. Eine toxische Wirkung entfaltet sich dann möglicherweise erst durch die vom Enzym verursachte Umwandlung.

Schlüssel zur Aufklärung der Detailstruktur war eine sogenannte Röntgen-Kristall-Strukturanalyse, die das Kieler Forschungsteam in Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Elektronen-Synchrotrons (DESY) in Hamburg durchführte. Sie erlaubt es, das für sich genommen sehr schwache Signal des atomaren Gerüsts durch die Wechselwirkung mehrerer gleichgeschalteter Moleküle mit den Röntgenstrahlen zu verstärken.

So konnten die Forschenden die Struktur des Enzyms mit Hilfe des aus Milliarden von Einzelmolekülen bestehenden Kristalls sichtbar machen. Für die erfolgreiche Kristallisation mussten sie jedoch zunächst in einem langwierigen Optimierungsverfahren die Eiweißmoleküle des Enzyms reinigen und mit einem anderen Eiweiß verknüpfen, ohne dabei die Funktionsweise des Enzyms zu zerstören.

Ganzes Spektrum erkunden

„Wir haben seit rund zehn Jahren daran gearbeitet, einen Weg zur Sichtbarmachung der Enzymstruktur zu finden“, betont Scheidig. „Die nun vorliegende, hoch präzise Abbildung der Detailstruktur von mARC1 öffnet das Tor zur potenziellen Nutzbarmachung seiner Funktionen“, so Scheidig weiter.

In der weiteren Forschung soll nun das ganze Spektrum der durch mARC1 gesteuerten Stoffwechselprozesse inklusive der dabei umgesetzten organischen und anorganischen Verbindungen erkundet werden. Zusätzlich existiert auch ein zweites, sehr ähnliches Enzym, das mARC2, dessen bislang unbekannte Struktur ebenfalls detailliert untersucht werden soll.

Ziel der künftigen Arbeiten wird es sein, insbesondere das therapeutische Potenzial der beiden verwandten Enzyme zu erforschen. Neben ihrer Bedeutung für den Stickstoffstoffwechsel sind die mARC-Enzyme auch an der Umwandlung von giftigen Pflanzeninhaltsstoffen wie beispielsweise Alkaloiden, die etwa im Jakobskreuzkraut vorkommen, beteiligt.

Verzögert aktivierte Medikamente

Auch hier ist es möglich, dass die chemische Reaktion sowohl harmlose als auch schädliche Abbauprodukte hervorbringt. Schließlich erlaubte der gezielte Einsatz der Enzyme die Entwicklung neuartiger Medikamente: So sind die Enzyme zum Beispiel an der Aktivierung neu entwickelter Blutverdünner und Krebsmittel beteiligt.

Dieses Prinzip stammt ebenfalls aus dem Arbeitskreis von Professor Bernd Clement vom Institut für Pharmazie. Für zukünftige Entwicklungen ist es denkbar, mithilfe von mARC die Umsetzung und damit Aktivierung eines Wirkstoffs so zu schalten, dass er bereits im Verdauungstrakt wirkt und nicht erst in die Blutbahn aufgenommen werden muss. Solche im Körper mit Verzögerung aktivierten Medikamente bezeichnen Forschende auch als „Prodrugs“.

„Von der Anwendung dieses Prinzips erhoffen wir uns aus pharmazeutischer Sicht eine verbesserte Wirksamkeit und potenziell reduzierte Nebenwirkungen“, hebt Clement hervor. Eine zentrale Rolle bei dieser weiteren Erforschung spielt das genetische Profil von mARC1: Hier konnten die Kieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Lücke schließen, da bisherige bioinformatische Methoden nur ein unvollständiges Bild liefern konnten. „Wir haben auch die Gene identifiziert, die der Bildung des Enzyms im Menschen zugrunde liegen“, betont Clement.

„Auf dieser Basis werden wir künftig anhand von Modellorganismen eine systematische Funktionsanalyse des mARC1-Enzyms durchführen“, so Clement weiter. Mit dem gezielten An- und Ausschalten dieser Gene mit verschiedenen experimentellen Methoden werden künftig vergleichende Aussagen über die Wirkungsweise des Enzyms und die physiologischen Folgen für den Organismus möglich.

Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU)


Originalpublikation: Axel Scheidig et al.; Crystal structure of human mARC1 reveals its exceptional position among eukaryotic molybdenum enzymes; PNAS, 2018; DOI: 10.1073/pnas.1808576115

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