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NMR Spektroskopie in der Universitätsmedizin Greifswald

Ein großer Vorteil besteht darin, dass die NMR nicht nur für frische Proben hervorragende Ergebnisse liefert, sondern auch für zunächst eingefrorene. © anyaivanova / iStock / Getty Images Plus

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Analytische Methodik: NMR Spektroskopie in der Universitätsmedizin Greifswald

Im Labor der Universitätsmedizin Greifswald arbeiten MTLA schon seit über 15 Jahren mit der Kernspinresonanzspektroskopie. Nur sehr wenige Kliniken in Deutschland nutzen dieses Verfahren, obwohl es gegenüber klassischen Labormethoden viele Vorteile bietet.

Mann auf Leiter © Mirjam BauerProf. Dr. Matthias Nauck, Institut für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin an der Universität Greifswald, nutzt das 13 Tesla starke NMR-Gerät von Bruker insbesondere für Studien. © Mirjam Bauer

Die eindimensionale Kernspinresonanzspektroskopie oder NMR (Abkürzung für „nuclear magnetic resonance“) ist eine Strukturaufklärungsmethode aus der Chemie. Über eine Referenzsubstanz misst ein entsprechendes Gerät die chemische Verschiebung der Atome. Konkret bestimmt werden dabei die Radiofrequenz-induzierten Übergänge zwischen den Energieniveaus, die die Atomkerne in einem äußeren Magnetfeld infolge ihres eigenen magnetischen Momentes einnehmen.

So erhält man Informationen über die Struktur der einzelnen Moleküle und ihrer Konzentration. Prof. Dr. Matthias Nauck verantwortet seit 2002 das Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin an der Universitätsmedizin Greifswald. 15 Jahre lang arbeiteten die Labormitarbeiterinnen mit einem Magnetfeld von 400 Megahertz (MHz).

Seit einem Jahr nutzen sie ein neues Gerät mit 600 MHz. Diese Leistung entspricht ungefähr 13 Tesla – also enorm im Vergleich zu den bildgebenden MRT-Verfahren in der Radiologie, die in der Feldstärke zwischen 1,0 und 3,0 Tesla etabliert sind. Als in der Medizin verankerter Hersteller bietet das deutsche Unternehmen Bruker Biospin diese sehr erfolgreiche analytische Methodik in einem Kombi-Gerät mit vorgeschalteter Pipettierautomatik an.

„Klassische Laborverfahren haben vielfältige Probleme in Bezug auf die Richtigkeit der Messungen, beispielsweise beim Chargenwechsel der verwendeten Reagenzien oder Kalibratoren. Je nach Charge, Hersteller etc. können die Werte höher oder tiefer ausfallen, Patienten verstehen solche Schwankungen in den meisten Fällen nicht“, so Prof. Nauck.

„Die NMR-spektroskopische Methodik wird hinsichtlich ihrer strukturellen Informationen insbesondere zu organischen Verbindungen von kaum einer anderen Methode übertroffen, sie ist schnell und spezifisch. Ferner sehe ich diese Messung als eine Art grüne Diagnostik ohne Trinkwasserverschmutzung, die mit sehr geringen Mengen Helium und Stickstoff auskommt. Es handelt sich um eine quantitative Messung mit einfacher Probenvorbereitung. Wir nutzen sie aktuell insbesondere für die Lipoproteinanalytik.“

Wie funktioniert die Messung genau?

Pipette © Mirjam BauerDie vorgeschaltete Pipettierautomatik im Sample Jet des NMR-Gerätes überführt die Proben ins Innere des Magneten. © Mirjam Bauer

Die Messung von Urin und Liquor erfolgt bei 300 Kelvin im Magnetfeld, Serum und Plasma wird bei 310 Kelvin bestimmt. Die MTLA verdünnt die jeweiligen Patientenproben vorher mit einem speziellen Puffer (enthält Kaliumphosphat sowie auch den Standard TSP [3-Trimethyl-2,2,3,3-tetradeuteropropionic acid]), bei Urinen beträgt das Mischungsverhältnis 1:10, bei Plasma und Liquor 1:5.

Die täglich zu absolvierenden Qualitätskontrollen überprüfen die Stabilität des Systems. Nach diesen Vorbereitungen stellt die MTLA die vorbereiteten Proben in den Sample Jet. Dort verbleiben sie bei fünf Grad Celsius für bis zu 24 Stunden bis zur Analytik. Ein Roboterarm überführt die Proben ins Innere des Magneten. Hier erfolgt die Messung der Protonen aufgrund ihrer chemischen Struktur: ein Proton liefert immer das gleiche Signal, über kleine Verschiebungen im Spektrogramm (OH-Gruppen) kann man diese Strukturen auseinanderhalten.

Ein großer Vorteil besteht darin, dass die NMR nicht nur für frische Proben hervorragende Ergebnisse liefert, sondern auch für zunächst eingefrorene und dann aufgetaute Proben. Die Analytik ist über viele Jahre vergleichbar, da beispielsweise Chargenschwankungen wie in der klassischen Laboratoriumsmedizin keine Rolle spielen. Um den Messkanal im Inneren des NMR-Geräts befinden sich zwei Mäntel zur Kühlung: Der eine wird circa halbjährlich mit Helium, der andere mit flüssigem Stickstoff, wöchentlich etwa 200 ml, nachgefüllt.

Diese Aufgabe übernimmt ebenfalls die MTLA – mit Handschuhen und Schutzbrille. Zwei Mitarbeiterinnen haben in Greifswald die NMR-Messungen erläutert: MTLA Anke Witt und Dr. Kathrin Budde. Nach knapp 30 Minuten begutachtet die MTLA die Messung mit den ausgegebenen Spektren. Zusätzlich überprüft ein wissenschaftlicher Mitarbeiter die Ergebnisse für die jeweiligen Proben. Deshalb verbleiben die Proben noch 24 Stunden bei circa fünf Grad Celsius im Sample Jet. Bei Unklarheiten erfolgt eine erneute Messung, sonst werden die Proben vernichtet bzw. asserviert.

Welche Bereiche sind sinnvoll für NMR-Analytik?

Hand mit Pipette © Mirjam BauerDie MTLA verdünnt die jeweiligen Patientenproben, hier Urin, mit einem speziellen Puffer. © Mirjam Bauer

„Wir nutzen das NMR insbesondere zur Etablierung von Verfahren zur Früherkennung von Krankheiten. Ein Beispiel ist die Bestimmung des biologischen Alters, die wir mit Hilfe der SHIP-Studie erarbeitet haben. In unserer Lipoproteinambulanz laufen zudem weitere Studien. Durch diagnostische Verfahren wie die NMR erhalten wir wichtige neue Erkenntnisse, die wir zum Nutzen für unsere Patienten einsetzen möchten“, erklärt Prof. Nauck.

Zu wissen, welche Erkrankungsrisiken ein Mensch hat, ist eine wertvolle Information. Ein Beispiel zeigt die Bestimmung des Metaboloms aus einfachen Urinproben zur Bestimmung des metabolischen Alters. Erkennbar dabei: Die nach oben herausfallenden Outlier (Ausreißer) haben ein erhöhtes Erkrankungs- und Sterberisiko. Diabetiker liegen in der Grafik oft oberhalb ihres chronologischen Alters.

Sinnvoll wäre es also, die metabolisch auffälligen Personen genauer zu beobachten und gegebenenfalls präventiv zu behandeln. Messungen des Metaboloms aus Blut sind genauso möglich und ermöglichen ähnliche Ergebnisse. Das Metabolom eines Menschen verändert sich mit zunehmendem Alter ähnlich wie Haut, Stimme, Knochen etc. – beim Säugling innerhalb weniger Monate genauso stark wie zwischen dem zwanzigsten und achtzigsten Lebensjahr.

Das Ziel des Ansatzes geht laut Nauck in Richtung einer stratifizierten Medizin: Die Wissenschaftler möchten lernen, die individuellen Verläufe des Metaboloms zu analysieren und herausfinden, wann es sich in Richtung Erkrankung verändert. Diese subklinischen Veränderungen sollten es perspektivisch ermöglichen, Personen mit erhöhten Risiken frühzeitig zu entdecken und gezielt zu behandeln.

Heute werden die bekannten Spektren in der NMR-Spektroskopie nach bestimmten Standards aufgezeichnet. Diese Daten sind ein Schatz und müssen nur einmalig gemessen werden. Im Lauf der Zeit entstehen immer mehr Algorithmen, mit denen sich diese Daten auswerten lassen. Jeder neue Algorithmus kann auch in Zukunft mit den einmal erhobenen Daten arbeiten und wichtige Erkenntnisse liefern.

Die Finanzierung der NMR-Investitionen in Greifswald geschieht auch über Mittel aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), 25 Prozent tragen die Greifswalder über Eigenfinanzierung – einen Betrag von circa 400 000 Euro bei. Bisher nutzt nur noch ein weiteres medizinisches Labor in Deutschland die NMR-Methodik – und die Universitätsmedizin Dresden beginnt damit in Kürze. Eigentlich schade, dass ein qualitativ hochwertiges, schnelles und grünes Verfahren noch nicht mehr Durchdringung gefunden hat.

Von Mirjam Bauer

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