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Gehirn kommuniziert auf verschiedenen Kanälen

Das menschliche Gehirn "funkt" auf verschiedenen Kanälen: Im Alpha-, Beta- und Gamma-Kanal sind die Nervenzellen mit unterschiedlicher Frequenz aktiv. So können Informationen zwischen Gehirngebieten ausgetauscht werden - und das in jeweils entgegen gesetzter Richtung, ohne dass sich die Informationsströme miteinander vermischen. © ESI / G. Michalareas

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Neurobiologie: Gehirn kommuniziert auf verschiedenen Kanälen

Das menschliche Gehirn nutzt unterschiedliche Frequenzbänder für den Informationsfluss zwischen niedrigeren und höheren Arealen. Aber woher weiß das Gehirn welchen Kurs die jeweilige Information einschlagen soll? Forscher des Frankfurter Ernst Strüngmann Instituts (ESI) für Neurowissenschaften in Kooperation mit der Max-Planck-Gesellschaft haben nun am menschlichen Gehirn gezeigt, dass die Sehrinde unterschiedliche Frequenzkanäle nutzt, je nach dem, in welche Richtung Information transportiert wird. Die Erkenntnisse sollen helfen, die Ursache psychiatrischer Erkrankungen aufzuklären, bei denen die beiden Kanäle nicht richtig getrennt zu sein scheinen.

Im Gehirn verarbeitet die Sehrinde, auch visueller Kortex genannt, Sehinformationen und leitet diese von niedrigeren zu höheren Hirnarealen weiter. Es fließt aber auch Information in die entgegengesetzte Richtung, um etwa Aufmerksamkeit auf bestimmte Dinge zu lenken. Die Begriffe „Bottom-up“ und „Top-down“ bezeichnen Prozesse, mit denen das menschliche Gehirn Informationen verarbeitet.

„Auf das Sehsystem bezogen heißt Bottom-up: Augen auf, Information rein. Die Information fließt gewissermaßen von unten nach oben", erklärt Pascal Fries vom Ernst Strüngmann Institut für Neurowissenschaften. Anders ausgedrückt: Was wir mit den Augen wahrnehmen, wandert von niedrigeren zu höheren Gehirnarealen.

Sobald also eine Person ihre Umwelt betrachtet, werden die Eindrücke ständig nach dem Bottom-up-Prinzip verarbeitet. Aber woher wissen wir, dass eine Information wichtiger ist als die andere? Fries: „Dabei hilft uns das Prinzip Top-down. Das Gehirn benutzt bisherige Erfahrungen, um Informationen in den gegenwärtigen Kontext einzuordnen und auf dieser Basis Vorhersagen zu treffen.“

Top-down beeinflusst also den Bottom-up-Strom und steuert damit unsere Aufmerksamkeit hin zu Dingen, die in der jeweiligen Situation wichtig sind. Das kann sowohl unbewusst, beispielsweise gelenkt durch das plötzliche Auftauchen einer Gefahr, als auch bewusst geschehen, wenn wir zum Beispiel etwas suchen oder Anweisungen folgen.

„Viele Leistungen des Gehirns lassen sich nur durch dieses Prinzip erklären", sagt Fries. Damit das Top-down-Prinzip funktioniert, braucht das Gehirn Mechanismen, die Informationen von höheren zu niedrigeren Gehirnarealen weiterleiten. Die anatomischen Verbindungen in der Top-down Richtung sind schon lange bekannt, aber nicht, wie die Informationen über diese Verbindungen geschickt werden.

Versuche an Affen bringen Forscher auf die richtige Spur

Rhesusmakaken brachten die Forscher um Fries auf die richtige Spur. Zunächst untersuchten sie den bekannten Bottom-up-Strom im Gehirn der Tiere. Dieser nutzt ein gewisses Frequenzband rhythmischer Nervenzellaktivität, das sogenannte Gamma-Band um die 60 Hertz. Information wandert von "unten" nach "oben", indem die rhythmischen Aktivitätsschwingungen niederer Gehirngebiete nach und nach den Rhythmus des nächsthöheren Areals beeinflussen.

Schließlich entdeckten die Neurowissenschaftler auch den Kanal für den Top-down-Strom: den sogenannten Alpha- und Beta-Frequenzbereich, zwischen 10 und 20 Hertz. Sie konnten zeigen, dass die hierarchisch angeordneten Gehirnareale der Sehrinde gewissermaßen einen anderen Frequenzkanal benutzen, um Informationen von höheren zu niedrigeren Arealen zu schicken.

Im der nun vorliegenden Arbeit beschreiben die Forscher dieses Prinzip beim Menschen. „Wir kannten die Rhythmen und wollten sie im menschlichen Gehirn suchen", erläutert Fries. Sie benutzten dafür die sogenannte Magnetenzephalografie. Damit wird mit Hilfe äußerer Sensoren die magnetische Aktivität des Gehirns aufgezeichnet, welche aus den elektrischen Strömen aktiver Nervenzellen resultiert.

Die Messungen erlauben Rückschlüsse auf die Aktivität bestimmter Gehirnareale. „Die rohen Magnetenzephalografie-Daten vermischen allerdings die Signale mehrerer Gehirnareale, die dann mit aufwendigen mathematischen Methoden so gut wie möglich wieder getrennt werden müssen ", sagt Fries.

Große Ähnlichkeiten zwischen Menschen- und Affengehirn

Deshalb waren die Untersuchungen des Makakengehirns so wichtig, denn da Makaken ein dem Menschen sehr ähnliches Gehirn besitzen, lassen sich daran gewonnene Erkenntnisse in vielen Fällen auf den Menschen übertragen. Nur dank der Vorarbeiten mit den Tieren konnten die Forscher die Magnetenzephalografie-Messungen richtig interpretieren.

In ihren Versuchen belegen die Forscher zum ersten Mal, dass auch das menschliche Gehirn andere Frequenzbereiche für den Informationstransport von hierarchisch höheren zu niedrigeren Arealen nutzt als den Gammafrequenzbereich des Bottom-up-Stroms. Darüber hinaus beschreiben die Neurophysiologen beim menschlichen Gehirn die Hierarchie für zusätzliche Areale, die teilweise nur beim Menschen vorkommen.

Insgesamt beläuft sich die Anzahl der untersuchten Hirnareale beim Menschen auf 26. Die neuen Erkenntnisse tragen dazu bei, die Ursachen psychiatrischer Erkrankungen besser zu verstehen und eines Tages behandeln zu können. Denn bei manchen psychischen Erkrankungen scheinen der Top-down- und Bottom-up-Strom durcheinander zu geraten. Es gibt Hinweise, dass bei Menschen mit Schizophrenie der Top-down Strom nicht in normaler Weise mit dem Bottom-up Strom interagiert.

„Ein gesunder Mensch kann zwischen realen Sinneseindrücken und seiner in höheren Arealen entstehenden Interpretation gut unterscheiden. Er kann z.B. in einer Wolke die Züge eines Gesichtes sehen ohne die Wolke für ein Gesicht zu halten. Beim schizophrenen Patienten kann es dazu kommen, dass er das Gesucht für real hält und damit wohl die Top-down vermittelte Interpretation für einen Bottom-up vermittelten Sinneseindruck hält“, erklärt Fries.

QuelleMax-Planck-Gesellschaft

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