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Mit Epigenetik Tumoren bei Kindern erkennen

Epigenetik ist mitverantwortlich für die Genregulation. © undefined / iStock / Getty Images Plus

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Flüssigbiopsie: Mit Epigenetik Tumoren bei Kindern erkennen

Eine neue Studie nutzt die charakteristischen epigenetischen Merkmale von kindlichen Tumoren, um diese zu erkennen, zu klassifizieren und zu überwachen. Dazu analysieren die Forschenden kleine Fragmente der Tumor-DNA im Blut. Um diese sogenannten „Flüssigbiopsien“ auszuwerten, nutzen sie die einzigartige epigenetische „Landschaft“ von Knochentumoren. Dieser Ansatz verspricht, die personalisierte Diagnostik und möglicherweise zukünftige Therapien von kindlichen Tumoren wie dem Ewing-Sarkom zu verbessern.

Wissenschaftler*innen unter der Leitung der St. Anna Kinderkrebsforschung in Zusammenarbeit mit dem CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften haben eine neue Methode zur Flüssigbiopsie-Analyse von Tumoren im Kindesalter entwickelt.

Diese Methode nutzt die Fragmentierungsmuster der kleinen DNA-Stücke, die Tumore in den Blutstrom abgeben. Solche DNA-Fragmente spiegeln die einzigartigen epigenetischen Fußabdrücke vieler kindlicher Krebsarten wider. Am Beispiel des Ewing-Sarkoms, einem Knochentumor bei Kindern und jungen Erwachsenen, demonstriert das Team rund um Dr. Eleni Tomazou, St. Anna Kinderkrebsforschung, den Nutzen der Methode für die Tumorklassifizierung und -überwachung.

Denn mittels dieser Flüssigbiopsien wäre eine engmaschige Überwachung der Krebstherapie ohne hoch-invasive Tumorbiopsien möglich. Krebszellen in Tumoren teilen sich unentwegt und einige sterben dabei ab. Diese absterbenden Zellen geben ihre DNA häufig in die Blutbahn ab, wo sie zirkuliert und mit genomischen Methoden wie der Hochdurchsatz-DNA-Sequenzierung analysiert werden kann.

Solche so genannten Flüssigbiopsie-Analysen stellen eine minimalinvasive Alternative zu herkömmlichen Tumorbiopsien dar, die oft eine Operation erfordern, und sind vielversprechend um die Behandlung zu personalisieren. 

Zweiter Code des Genoms

Zum Beispiel können Patient*innen laufend auf molekulare Veränderungen im Tumor untersucht werden. Bisher wurde der Einsatz der Flüssigbiopsie bei Krebs im Kindesalter allerdings dadurch begrenzt, dass viele kindliche Tumore nur wenige genetische Veränderungen aufweisen, die in der DNA im Blut nachweisbar wären.

Zellfreie DNA aus absterbenden Tumorzellen zirkuliert im Blut in Form von kleinen Fragmenten. Deren Größe ist weder zufällig noch allein durch die DNA-Sequenz bestimmt. Vielmehr spiegelt sie wider, wie die DNA im Inneren der Krebszellen verpackt ist. Und sie wird von der Struktur des Chromatins (dem Komplex aus DNA, Proteinen und RNA) und den epigenetischen Profilen dieser Zellen beeinflusst.

Das ist hochrelevant, da die epigenetischen Muster – manchmal als "zweiter Code" des Genoms bezeichnet – für verschiedene Zelltypen im menschlichen Körper charakteristisch unterschiedlich sind. Epigenetische Mechanismen führen zu einer Änderung der Genfunktion, die nicht auf Veränderungen der DNA-Sequenz beruhen, aber dennoch an Tochterzellen weitergegeben werden.

Epigenetische Fußabdrücke entdeckt

Die Analyse der im Blut zirkulierenden DNA-Fragmentierungsmuster bietet eine einzigartige Möglichkeit, etwas über die epigenetische Regulation im Inneren des Tumors zu erfahren, ohne Tumorzellen chirurgisch entfernen zu müssen oder überhaupt zu wissen, ob und wo im Körper ein Tumor existiert.

„Bereits in einer früheren Arbeit haben wir die einzigartigen epigenetischen Fußabdrücke des Ewing-Sarkoms identifiziert. Daraus folgerten wir, dass diese charakteristischen epigenetischen Fußabdrücke in den Fragmentierungsmustern der vom Tumor stammenden und im Blut zirkulierenden DNA erhalten sein sollten. Damit hätten wir einen dringend benötigten Marker für die Frühdiagnose und die Tumorklassifizierung nach dem Konzept der Flüssigbiopsie", erklärt Tomazou, Principal Investigator der Epigenom-basierten Präzisionsmedizin-Gruppe an der St. Anna Kinderkrebsforschung.

Die neue Studie vergleicht verschiedene Messsysteme zur Analyse der zellfreien DNA-Fragmentierung. Sie setzt zudem den LIQUORICE-Algorithmus ein, der zirkulierende Tumor-DNA auf der Basis von krebsspezifischen Chromatin-Signaturen erkennt.

Möglichkeiten für die klinische Diagnostik

Die Wissenschaftler*innen verwenden Machine-Learning-Klassifikatoren, um zwischen Patient*innen mit Krebs und gesunden Personen sowie zwischen verschiedenen Arten von kindlichen Sarkomen zu unterscheiden. „Indem wir diese Algorithmen maschinellen Lernens mit unseren umfangreichen Whole-Genome-Sequencing-Daten über Tumor-DNA im Blut füttern, wird die Analyse hochsensitiv. Sie übertrifft in vielen Fällen herkömmliche genetische Analysen", sagt Tomazou.

Auf die Frage nach möglichen Anwendungen erklärt die Forscherin: „Unser Ansatz funktioniert gut, wir sind sehr begeistert. Allerdings muss er noch weiter validiert werden, bevor er routinemäßig in der klinischen Diagnostik eingesetzt werden kann." Den Wissenschaftler*innen zufolge könnte ihr Ansatz zur minimal-invasiven Diagnose, aber auch als prognostischer Marker eingesetzt werden, der überwacht, welche Patientin bzw. welcher Patient auf eine Therapie anspricht. Darüber hinaus könnte er als Vorhersage-Marker während der neoadjuvanten Therapie, also der Therapie vor einer Operation, dienen und eine Dosisanpassung je nach Ansprechen auf die Behandlung ermöglichen.

„Denn derzeit erhalten die meisten Kinder bzw. Jugendlichen mit Ewing-Sarkomen eine sehr hoch dosierte Chemotherapie, obwohl einige Patientinnen und Patienten bereits mit einer weniger starken Therapie geheilt werden könnten. Letztere würde ihr Risiko verringern, später an anderen Krebsarten zu erkranken. Daher besteht ein dringender medizinischer Bedarf an adaptiven klinischen Studien, die eine maßgeschneiderte Behandlung von Knochentumoren bei Kindern näherrücken lassen."

Quelle: Ludwig Boltzmann Gesellschaft


Publikation: Peter Peneder et al.; Multimodal analysis of cell-free DNA whole genome sequencing for pediatric cancers with low mutational burden; Nature Communications, 2021; DOI: 10.1038/s41467-021-23445-w

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