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Mukoviszidose in bundesweites Neugeborenen-Screening aufgenommen

Wenige Tropfen Blut aus der Ferse des Kindes genügen: Die Untersuchung auf Mukoviszidose erfolgt zum selben Zeitpunkt und aus der gleichen Blutprobe wie das bereits etablierte Neugeborenen-Screening. © Universitätsklinikum Heidelberg

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Früh erkennen, früh behandeln: Mukoviszidose in bundesweites Neugeborenen-Screening aufgenommen

Jedes Neugeborene in Deutschland kann ab Frühjahr 2016 auf die erbliche Krankheit Mukoviszidose untersucht werden. Das hat das oberste Beschlussgremium der Gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten, Psychotherapeuten, Krankenhäusern und Krankenkassen, der Gemeinsame Bundesausschuss, entschieden. Eine Pilotstudie am Universitätsklinikum Heidelberg hatte gezeigt: Der Bluttest entdeckt die Krankheit zuverlässig und kann im Rahmen des Neugeborenen-Screenings angewandt werden.

Die kleinen Patienten können so von Anfang an medizinisch betreut und frühzeitig behandelt werden. Dies soll helfen, die körperliche Entwicklung und Lungenfunktion der betroffenen Kinder zu verbessern. Die erfolgreiche Heidelberger Studie hat maßgeblich zur Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses beigetragen. „Das ist ein riesiger Erfolg und hilft vor allem den betroffenen Kindern und Familien“, freut sich Professor Dr. Georg Hoffmann, Leiter des Neugeborenen-Screeningzentrums am Universitätsklinikum Heidelberg. „Ich freue mich über jeden Jungen und jedes Mädchen, denen das Neugeborenen-Screening hilft, eine treffende Diagnose zu erhalten.

Bei den meisten Krankheiten gilt: je früher sie erkannt und therapiert werden, desto besser. Die deutschlandweite Ausweitung des Screenings zeigt, dass sich die Investition in das Heidelberger Früherkennungsprogramm außerordentlich lohnt“, sagt Stifter Dietmar Hopp. Das finanzielle Engagement der Dietmar Hopp Stiftung im Neugeborenen-Screening hat eine lange Historie: seit 2001 unterstützt die Stiftung mit mittlerweile insgesamt rund 15 Millionen Euro dieses wichtige Thema. Dazu zählen sowohl die Finanzierung diverser Forschungsprojekte, als auch die Verbesserung von Infrastruktur wie u.a. der Bau des neuen Stoffwechselzentrums am Universitätsklinikum Heidelberg.

Früh erkannt ist Mukoviszidose gut zu behandeln

Jährlich kommen in Deutschland rund 200 Kinder mit Mukoviszidose zur Welt; ungefähr eines von 3.300 Neugeborenen ist betroffen. Fehler an einer bestimmten Stelle im Erbgut – im genetischen Bauplan des Proteins CFTR (Cystis Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator) – lassen die Sekrete in Lunge und Verdauungstrakt austrocknen und führen zu schweren fortschreitenden Funktionsstörungen von Lunge, Bauchspeicheldrüse, Leber und Darm. Zäher Schleim verstopft die Atemwege. Dies begünstigt chronische Infektionen sowie Entzündungen und führt zu bleibenden Lungenschäden.

Screening ermöglicht frühzeitige Behandlung

© privatRegelmäßiges Inhalieren ist ein wichtiger Baustein der Therapie bei Mukoviszidose. © privat

Eindeutige klinische Symptome zeigen sich oft erst im Alter von mehreren Jahren. Bis dahin unentdeckte Veränderungen, vor allem in der Lunge, sind dann zum Teil nicht mehr rückgängig zu machen. Die Krankheit ist zwar nicht heilbar, aber immer besser behandelbar. Am Universitätsklinikum Heidelberg wird das Neugeborenen-Screening für Mukoviszidose bereits seit 2008 im Rahmen einer von der Dietmar Hopp Stiftung geförderten Studie angeboten.

Mehr als 400.000 Neugeborene aus dem Südwesten von Deutschland wurden eingeschlossen, bei 90 Kindern Mukoviszidose diagnostiziert. „Es ist zu erwarten, dass das Screening und eine frühzeitige Behandlung dazu beitragen werden, die Entwicklung der Kinder und deren Lungenfunktion zu verbessern. Das wollen wir mit weiteren klinischen Studien wissenschaftlich fundiert belegen“, sagt Professor Dr. Marcus Mall, Leiter der Sektion Pädiatrische Pneumologie und Allergologie des Mukoviszidose-Zentrums sowie Direktor der Abteilung Translationale Pneumologie des Zentrums für Translationale Lungenforschung Heidelberg.

Zum Beispiel führen die Heidelberger Wissenschaftler aktuell die weltweit erste Studie durch, bei der Kinder mit Mukoviszidose noch vor den ersten Symptomen vorbeugend ein Medikament inhalieren.

Ablauf des Neugeborenen-Screenings in Deutschland

Die Untersuchung auf Mukoviszidose erfolgt zum selben Zeitpunkt und aus der gleichen Blutprobe – wenige Tropfen aus der Ferse des Kindes genügen – wie das bereits etablierte Neugeborenen-Screening. Basis des Screenings auf Mukoviszidose ist ein biochemischer Test, den die Heidelberger Wissenschaftler für das Screening adaptiert haben. „Der Test entdeckt sehr zuverlässig die erkrankten Kinder. Wir konnten zeigen, dass der Screeningtest sogar empfindlicher ist als der in anderen Ländern verwendete Gentest“, Dr. Olaf Sommerburg, Oberarzt Sektion Pädiatrische Pneumologie, Allergologie und Mukoviszidose-Zentrum und der Leiter der Studie.

Mit Einverständnis der Eltern wird das Blut des Kindes beim Neugeborenen-Screening auf insgesamt – Mukoviszidose eingerechnet – 15 Krankheiten untersucht, 13 Stoffwechselkrankheiten und zwei Hormonstörungen. Eines von 1.200 Kindern leidet an einer der Krankheiten, nach denen im Screening gefahndet wird. Der sofortige Beginn der Behandlung sowie die engmaschige Betreuung verhindern bei den meisten betroffenen Kindern lebensbedrohliche Stoffwechselkrisen und damit Schäden am Gehirn und an anderen Organen.

Mit Unterstützung der Dietmar Hopp Stiftung evaluieren die Wissenschaftler am Dietmar-Hopp-Stoffwechselzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg aktuell 21 weitere Krankheiten für die Aufnahme in das Neugeborenen-Screening. Die Heidelberger Evaluation wird zeigen, ob eine noch größere Erweiterung des Screenings auf dann insgesamt 36 Krankheiten flächendeckend umgesetzt werden kann.

Weitere Informationen

Originalpublikation: Sommerburg et al. (2015), Five years of experience with biochemical cystic fibrosis newborn screening based on IRT/PAP in Germany. Pediatric Pulmonology: 655–664. DOI: 10.1002/ppul.23190

Universitätsklinikum Heidelberg

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