Branche
on
Neue Darm-Hirn-Achse entdeckt

Ergebnisse aus früheren Studien konnten bereits zeigen, dass die Zusammensetzung der Darmflora eine Rolle bei MS spielt. © ChrisChrisW / iStock / Getty Images Plus

| | | | |

Multiple Sklerose: Neue Darm-Hirn-Achse entdeckt

Ein internationales Forschungsteam unter Basler Leitung hat eine Verbindung zwischen der Darmflora und Entzündungsherden im zentralen Nervensystem bei Multipler Sklerose (MS) entdeckt. Bei dieser neu identifizierten Darm-Hirn-Achse spielt eine bestimmte Klasse von Immunzellen eine zentrale Rolle. Die Entdeckung könnte den Weg zu neuen Therapien gegen MS weisen, die auf die Darmflora abzielen.

Was tun, wenn das eigene Immunsystem das Nervensystem angreift? Neuere Therapien gegen die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS) setzen darauf, bestimmte Immunzellen (die B-Zellen) aus dem Blut der Betroffenen zu entfernen. Allerdings entdeckten Forschende von Universität und Universitätsspital Basel bereits vor einigen Jahren, dass man dabei besser kein zu breites Spektrum der verschiedenen B-Zellen entfernen sollte, da dies die Erkrankung sogar noch verschlimmern kann.

Eine neue Studie wirft nun ein anderes Licht auf diese Beobachtung: Ein internationales Forschungsteam um Dr. Anne-Katrin Pröbstel von der Universität Basel und vom Universitätsspital Basel hat entdeckt, dass bestimmte B-Zellen eine Art Brücke zwischen der Darmflora und den Entzündungsherden im zentralen Nervensystem schlagen und hier entzündungshemmend wirken.

„Aus früheren Studien wissen wir, dass die Zusammensetzung der Darmflora eine Rolle bei MS spielt. Aber wie genau sich Darmbakterien und Immunzellen gegenseitig beeinflussen, war bisher unbekannt", erklärt Pröbstel. Im Mittelpunkt der neuen Studie standen sogenannte IgA-produzierende B-Zellen, kurz IgA-B-Zellen. 

Bei Immunglobulin A (IgA) handelt es sich um eine Klasse von Antikörpern, die insbesondere die Immunabwehr der Schleimhäute sicherstellt. Die IgA-B-Zellen sind damit beispielsweise für die Darmgesundheit zentral.

Darm-Immunzellen wandern zu Entzündungsherden

Durch Analysen von Stuhlproben von MS-Patientinnen und -Patienten sowie gesunden Personen stellten die Forschenden fest, dass MS-Betroffene im Darm IgA-B-Zellen tragen, die sich insbesondere gegen MS-typische Darmbakterien richten – also solche, die gehäuft bei MS-Betroffenen vorkommen.

In einem weiteren Schritt analysierten die Forschenden die Rolle dieser Immunzellen im Krankheitsverlauf bei insgesamt 56 MS-Patientinnen und -Patienten. Demnach häuften sich die IgA-B-Zellen bei MS-Betroffenen mit akuten Entzündungsherden in der Hirn-Rückenmarks-Flüssigkeit und im Hirngewebe.

„Offenbar wandern diese Immunzellen aus dem Darm zu den Entzündungsherden im zentralen Nervensystem und schütten dort einen entzündungshemmenden Botenstoff aus", fasst Pröbstel die Ergebnisse zusammen. „Das erklärt, warum sich die Erkrankung verschlimmert, wenn man diese Immunzellen mit Medikamenten aus dem Blut entfernt."

Was genau die IgA-B-Zellen als Helfer gegen MS aktiviert und dazu anregt, vom Darm ins zentrale Nervensystem zu wandern, wird weiter untersucht. „Wenn wir den Auslöser dafür finden, könnten wir dies therapeutisch zur Behandlung von MS nutzen", so Pröbstel.

Denkbar wäre beispielsweise, die Zusammensetzung der Darmflora von Betroffenen gezielt zu verändern, um die IgA-B-Zellen als Helfer gegen die Entzündungen im Nervensystem zu mobilisieren.

Quelle: Universität Basel


Originalpublikation: Anne-Katrin Pröbstel et al.; Gut microbiota-specific IgA+ B cells traffic to the CNS in active multiple sclerosis; Science Immunology, 2020; doi: 10.1126/sciimmunol.abc7191

Newsletter abonnieren

Newsletter Icon MTA Blau 250x250px

Erhalten Sie die wichtigsten MT-News und Top-Jobs bequem und kostenlos per E-Mail.

Mehr zum Thema

Mikroglienzellen schädigen die Myelin-Hülle von Neuronenaxonen
Blutproben in einem Labor

Das könnte Sie auch interessieren

handgezeichnete menschliche Leber
Petrischale und rote Blutzellen
MRT-Aufnahme für Erkennung neurologischer Erkrankungen