Die Wissenschaftler haben insbesondere nach Biomarkern gefahndet, also Molekülen, welche für die verschiedenen Tumoruntergruppen typisch sind und die wertvolle Informationen für Diagnose und Therapie liefern. Das Forscherteam hat dabei unter anderem Moleküle entdeckt, die die Wirksamkeit zweier bei dieser Krankheit häufig eingesetzter Medikamente vorhersagen: Cetuximab, ein Hemmstoff des Rezeptors für den Epidermalen Wachstumsfaktor (EGFR), und das Chemotherapeutikum 5FU.
Molekulares Profil des Tumors aufdecken
Darmkrebs ist weltweit die dritthäufigste Krebserkrankung, 95 Prozent davon sind kolorektale Karzinome. Sie zählen im fortgeschrittenen Stadium zu einer der häufigsten Todesursachen, da häufig nur ein Teil der Patienten auf eine medikamentöse Therapie anspricht. Die genauen Gründe kennen Experten nicht, nur soviel ist klar: „Kolorektale Karzinome sind eine sehr heterogene Gruppe, und die vorhandenen Medikamente wirken wohl deshalb unterschiedlich gut“, erklärt Marie-Laure Yaspo, Forscherin am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin und Leiterin der jetzt erschienen Studie.
„Man kennt zwar bereits molekulare Untergruppen, aber was das für die Therapie bedeutet, ist noch weitgehend unbekannt.“ Um die Reaktion des Patienten auf bestimmte Medikamente besser voraussagen zu können, müssen Wissenschaftler aber das molekulare Profil des Tumors und des Patienten genau kennen.
Wissenschaftler an der Charité sowie an der Universitätsklinik Graz haben in ihrer Studie Tumorproben von über hundert Darmkrebspatienten in verschiedenen Stadien gesammelt und diese in Petrischalen oder in speziellen Mäusen gezüchtet und anschließend medikamentös behandelt. So konnten die Wissenschaftler die Zusammenhänge zwischen den molekularen Änderungen und der Reaktion des Tumors auf Medikamente besser verstehen. „Die Anzahl der auf diese Weise analysierten Tumore übertrifft alle bisherigen Studien bei weitem“, sagt Yaspo.
Identifizierung von Tumortyp
Zunächst bestimmten die Wissenschaftler die genetische Zusammensetzung der Tumoren und das so genannte Transkriptom, also die Gesamtheit aller in einer Zelle hergestellten RNA-Moleküle. Durch diese Analyse konnten die Forscher gewissermaßen einen molekularen Fingerabdruck aller Tumore erstellen.
Als nächstes testeten Yaspo und ihre Kollegen der beiden Unternehmen EPO-Berlin und Eli Lilly-Madrid, wie die Tumore auf verschiedene Therapeutika reagieren und verknüpften so den Fingerabdruck eines Tumors mit seiner Reaktion auf verschiedene Wirkstoffe. Ließ sich eine Gruppe von Tumoren erfolgreich mit einem Wirkstoff behandeln, fahndeten die Wissenschaftler nach typischen Biomarkern für diesen Tumortyp.
Bislang trafen Mediziner die Entscheidung für oder gegen den Einsatz eines gegen den EGF-Rezeptor gerichteten Medikaments vor allem an Hand von Genveränderungen. Solche Mutationen sind jedoch oft nicht zuverlässig genug. Für die Verwendung von 5FU gab es bisher keine Biomarker. Weitere Biomarker könnten daher in beiden Fällen dazu beitragen, die Diagnose und Therapie von Krebserkrankungen zu verbessern.
Auswahl der geeignetsten Therapie
Das Team hat nun zwei Biomarkersignaturen identifiziert, die vorhersagen, ob der EGFR-Hemmstoff Cetuximab und das Chemotherapeutikum 5FU Darmkrebs erfolgreich bekämpfen. „Durch unsere Analysen haben wir viel über den Darmkrebstyp gelernt, der auf diese beiden Medikamente reagiert. Dadurch stehen uns nun deutlich mehr Informationen zur Verfügung als nur auf Basis des Mutationsstatus“, erklärt Yaspo.
Die Wissenschaftler kennen nun das molekulare Profil der Tumore, die sich mit den beiden Wirkstoffen behandeln lassen. Die Ergebnisse konnten für Cetuximab bereits erfolgreich bestätigt werden. Zur Validierung der Ergebnisse zu 5FU ist eine weitere Studie geplant.
„Die Analyse hat die detailliertesten Daten zu kolorektalen Karzinomen geliefert, die wir bislang haben“, sagt Yaspo. „Auf Basis dieser Ergebnisse lassen sich Diagnoseinstrumente entwickeln, die die Wirksamkeit von Medikamenten besser vorhersagen. Auf diese Weise könnte es künftig möglich sein, Darmkrebspatienten individuell je nach Tumortyp zu behandeln.“
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft