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Wie unsere Schleimhäute uns schützen

Die Schleimhäute und die Haut bilden eine Schranke um den Körper vor schädlichen Stoffen zu schützen. © XtockImages / iStock / Thinkstock

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Immunologie: Wie unsere Schleimhäute uns schützen

Die menschlichen Schleimhäute sind ein Wunderwerk der Natur: Sie trennen die äußere Umwelt vom zellulären Inneren des Menschen und steuern genau, welche Stoffe die Schranke passieren können und welche Schadstoffe oder Mikroorganismen abgewehrt werden. Die US-amerikanische Immunologin Dr. Yasmine Belkaid arbeitet an vorderster Front, diese Immunabwehr der Schleimhäute zu verstehen und beispielsweise Therapieoptionen für Stoffwechselkrankheiten abzuleiten.

Die 1968 geborene Forscherin erhielt dafür nun den diesjährigen Emil von Behring-Preis der Philipps-Universität Marburg. Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben und prämiert herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Immunologie, auf dem Emil von Behring selbst aktiv war und beispielsweise mit der Serumtherapie erste Diphtherie-Impfstoffe entwickelte.

Mit der Preisverleihung verknüpften die Veranstalter auch ein Symposium mit dem Nobelpreisträger für Medizin 2008, Professor Harald zur Hausen vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, und dem renommierten Immunologen Professor Klaus Rajewsky vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin. Im Fokus stand ganz die Immunantwort des Körpers auf Krankheitserreger.

Zukunftsweisende Forschungsarbeit

© Philipps-Universität Marburg | Markus FarnungVerleihung des Emil von Behring-Preises an Yasmine Belkaid (Mitte) am 31. März 2017 in der Aula der Alten Universität. Mit ihr freuten sich Prof. Dr. Hans Dieter Klenk (Vorsitzender der Preiskommission, links), Jochen Reutter (Marburg Standortleiter und Geschäftsführer der GSK Vaccines GmbH, 2.v.l.), Prof. Dr. Katharina Krause (Präsidentin der Philipps-Universität, 2.v.r.) und Laudator Prof. Dr. Ulrich Steinhoff (rechts). © Philipps-Universität Marburg | Markus Farnung

Die Präsidentin der Philipps-Universität Professorin Dr. Katharina Krause betonte in ihrer Begrüßung die Wichtigkeit der Verbindung von Grundlagen- und Anwendungsforschung. „Auch vor diesem Hintergrund freue mich ganz besonders darüber, dass wir in diesem Jahr Yasmine Belkaid für ihre herausragende und zukunftsweisende Forschungsarbeit auf dem Gebiet der mukosalen Immunologie ehren können.“

Darüber hinaus zeigte sich die Präsidentin erfreut darüber, dass GSK Vaccines, der langjährigen Tradition folgend, den Emil von Behring-Preis auch 2017 fördere. Jochen Reutter, Marburg Standortleiter und Geschäftsführer der GSK Vaccines GmbH, legte in seinem Grußwort die Motivation seines Unternehmens dar, sich für den Emil von Behring-Preis zu engagieren.

„Die Förderung der Wissenschaft ist ein großes Anliegen für GSK, denn nur mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen ist Fortschritt auch bei der Zulassung und Produktion von innovativen Impfstoffen möglich.“ Die Darmoberfläche von immerhin 400 Quadratmetern Gesamtfläche ist ständig konfrontiert mit jeder Menge an körperfremden, ungefährlichen Substanzen, aber auch gefährlichen Keimen.

„Würden Nahrungsbestandteile eine Immunantwort hervorrufen, so wäre dies nicht nur verschwenderisch, sondern auch höchst gefährlich“, erläuterte der Marburger Mediziner Professor Ulrich Steinhoff in seiner Laudatio. Chronische Entzündungen oder auch Allergien wären die Folge.

Schutzmechanismen des Gewebes

Die Preisträgerin konnte zeigen, wie das Immunsystem des Menschen mit der Bakterienflora auf den Schleimhäuten zusammenwirkt, um diese Aufgaben zu meistern. Sie stieß auf einen besonderen Zelltyp, sogenannte regulatorische T-Zellen, die im Darm gebildet werden. Außerdem fand sie heraus, dass dafür das Vitamin A notwendig sei. Schon Louis Pasteur wird der Kommentar zugeschrieben, dass die Mikroorganismen und das menschliche Leben untrennbar verbunden seien.

Steinhoff beschrieb das so: „Die Darmbakterien stehen in direktem Dialog mit dem Immunsystem.“ Das bedeute auch, dass eine Veränderung der Darmflora die Immunantwort betrifft, meinte die Preisträgerin. Viele der Keime, die sonst friedlich in der Darmflora siedeln, könnten dann zu potenziellen Krankheitserregern heranwachsen. Die Forscherin untersucht daher, welche Schutzmechanismen die verschiedensten Gewebesorten, vom Darm, über Lunge, Haut bis zum Gehirn entwickelt haben. Das ist alles andere als einfach.

Die Haut wird beispielsweise nicht nur oberflächlich besiedelt, sondern bis tief hinein entlang der Haarfollikel. Eine Untersuchung der Hautbesiedelung an 40 verschiedenen Stellen des Körpers brachte zu Tage, dass sich auch die Zusammensetzung der Mikroflora von Ort zu Ort deutlich unterschied.

Die Gesamtheit der Mikroorganismen, das sogenannte Mikrobiom, und deren Interaktion mit dem menschlichen Körper bezeichnete Belkaid als förmlich explodierendes Forschungsfeld: Dieses Mikrobiom und die in den Stoffwechselvorgängen produzierten Substanzen gelte es zu untersuchen. „Die produzierten Moleküle sind schließlich genau an uns angepasst“, erklärte die Forscherin. Die Stoffe könnten daher für therapeutische Zwecke interessant sein.

Behring-Symposium „Infektionsforschung 2017 – 100 Jahre nach Behring“

Eine besondere Koexistenz von Virus und menschlichem Organismus stellte Professor Klaus Rajewski in den Mittelpunkt seiner Betrachtung beim Behring-Symposium. Rund 90 Prozent aller Menschen sind mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert. Das ist nicht weiter tragisch. Das Immunsystem hält das Virus in Schach, könne es aber auch nicht komplett aus dem Körper eliminieren. „Wenn Menschen nun immun-supprimiert werden, kann das Immunsystem das Virus nicht mehr kontrollieren. Es entstehen Lymphome“, erklärte Rajewski.

Das Virus kapert die sogenannten B-Zellen des Immunsystems und bringt diese zur unkontrollierten Wucherung. Damit zählt das Epstein-Barr-Virus zu den Tumorviren: Sie führen zu Krebs. In Mäusen konnte die Arbeitsgruppe von Rajewski solche Tumorentwicklung künstlich erzeugen und heilen. Rajewski hofft nun, dass solch ein Therapiekonzept auch beim Menschen funktioniert. Die bahnbrechenden Arbeiten von Professor Harald zur Hausen vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg führten unmittelbar zu einer Impfstrategie gegen Gebärmutterhalskrebs.

Auslöser ist das humane Papillomvirus (HPV). Dafür gab es den Nobelpreis für Medizin im Jahr 2008. In seinen jüngsten Forschungen geht zur Hausen der Frage nach, ob es noch andere Viren oder Erregertypen gibt, die in Menschen Krebs erzeugen. Er stieß auf überraschende Korrelationen, dass der Verzehr von rotem Fleisch mit erhöhtem Risiko für Dickdarmkrebs einhergeht. Auch Kuhmilch könnte ein Risikofaktor beispielsweise für Brustkrebs sein. Für einen Naturwissenschaftler bedeutet das: Im Rindfleisch und in der Milch müssen Substanzen enthalten sein, die bei der Krebsentstehung mitwirken.

Meist müssen aber noch andere Faktoren dazu kommen. Zur Hausen hält es etwa für plausibel, dass am Beginn der Multiplen Sklerose – einer Autoimmun- und Stoffwechselerkrankung – das Zusammenspiel von Krankheitserregern aus Fleisch oder Milch, von Epstein-Barr-Virus und einem Vitamin-D-Mangel stehen könnte. Für eine chronische Krankheit wie Multiple Sklerose sei das eine hoffnungsvolle Erkenntnis, meinte zur Hausen. Weitere Studien müssten das allerdings untermauern.

Quelle: Philipps-Universität Marburg

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