Cannabis-Arzneimittel eignen sich für schwer kranke Patienten, die unter starken, chronischen Schmerzen leiden. Darüber hinaus helfen sie bei Übelkeit und dienen der Appetitanregung, zum Beispiel bei Krebs- und HIV-Patienten. Bisher zeigten wissenschaftliche Untersuchungen geringe bis moderate positive Effekte bei chronischen Schmerzen, bei Verkrampfungen aufgrund von Multipler Sklerose sowie bei Chemotherapie-induzierter Übelkeit. Allerdings mangelt es noch an Studien, welche die Wirksamkeit des Arzneimittels bei weiteren Anwendungsgebieten belegen.
Einblick in die Botanik
Die blühenden Spitzen sowie die Blätter der Pflanze Cannabis sativa variatio indica (indischer Hanf) enthalten als psychoaktive Substanzen die sogenannten Cannabinoide, von denen bisher mehr als 100 entdeckt wurden. In den Blüten liegen sie in der höchsten Konzentration vor, niedrigere Mengen findet man in den Blättern und Zweigen.
Zu den medizinisch relevanten Cannabinoiden gehören Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). THC verursacht vor allem ein Rauschgefühl und verfügt über brechreizlindernde sowie entkrampfende Eigenschaften, während CBD als entzündungshemmend, spasmolytisch und ebenfalls als brechreizlindernd gilt.
Die medizinischen Effekte sind auf eine Aktivierung von Cannabinoid- CB1- und CB2-Rezeptoren zurückzuführen. THC wirkt dabei als Agonist an den zwei CB-Rezeptoren, CBD weist unter anderem antagonistische Einflüsse am CB1-Rezeptor oder eine Aktivierung der sogenannten Vanilloid-1-Rezeptoren sowie der 5-HT1A-Rezeptoren auf.
Rauchen oder Verdampfen?
Cannabis kann inhaliert werden oder oral zur Anwendung kommen. Die Inhalation funktioniert mittels Verdampfen (mit einem Vaporisator) oder durch Rauchen. Erstere Möglichkeit besitzt den Vorteil, dass keine schädlichen Nebenprodukte (anders als beim Rauchvorgang) eingeatmet werden. Grundsätzlich besteht bei der Anwendung das Risiko verschiedener Nebenwirkungen, zu denen beispielsweise Tachykardie, Schwindel, Blutdruckabfall, Angst oder Müdigkeit zählen.
Startschwierigkeiten bei der Versorgung
Voraussetzung für die Verordnung von medizinischen Cannabis ist laut Angaben der Bundesregierung, dass alle weiteren Therapiemöglichkeiten bereits ausgeschöpft sind oder der behandelnde Arzt nach seiner begründeten Einschätzung die Entscheidung trifft, Cannabis zur Linderung der Symptome einzusetzen.
Derzeit gibt es allerdings Versorgungsengpässe schwer kranker Patienten mit medizinischem Cannabis wie das Bundesgesundheitsministerium (BMG) erklärte. Nach Angaben des Magazins Spiegel liegen den Krankenkassen Tausende Anträge auf Kostenübernahme vor, die Ablehnungsquote liege bei etwa 50 Prozent.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) teilte mit, dass medizinisches Cannabis momentan vor allem aus Kanada oder den Niederlanden stamme, erste Ernten in Deutschland werden etwa im Jahr 2019 erwartet.
Risiken im Straßenverkehr?
Beim Konsum von Cannabis zu Rauschzwecken handelt es sich nach § 24a Absatz 2 des Straßenverkehrsgesetzes um eine Ordnungswidrigkeit. Bei einer ordnungsgemäßen Verwendung von Cannabis nach ärztlicher Verschreibung trifft dieser Sachverhalt jedoch nicht zu, dennoch sollten Betroffene unbedingt mit ihrem Arzt abklären, ob eine Teilnahme am Straßenverkehr vertretbar ist – schließlich kann die Fähigkeit zum Führen eines Kraftfahrzeugs durch die Einnahme beeinträchtigt sein.
Martina Görz
Literatur:
- Cannabis für Schwerkranke auf Rezept; Bundesregierung, 2017
- Bundesregierung räumt Lieferengpässe bei Cannabis ein; Spiegel, 2017
- Cannabis: Im ersten Halbjahr mehr als 10.000-mal abgegeben; Pharmazeutische Zeitung, 2017
- Cannabis als Medizin: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte richtet Cannabisagentur für künftigen Cannabisanbau in Deutschland ein; Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), 2017
- Medizinisches Cannabis: Zwischen Euphorie und Skepsis; Pharmazeutische Zeitung, 2017
- Sehr beliebt, kaum erforscht; Spiegel Online, 2017
- Cannabis als Medikament möglich; Apotheken Umschau, 2017
- Was kommt auf die Apotheken zu?; Pharmazeutische Zeitung, 2017
- Medizinisches Cannabis: Weiter Streit um Behandlungskosten; Deutsches Ärzteblatt, 2017
- The therapeutic potential of cannabis and cannabinoids; Dtsch. Arztebl Int, 2012; DOI: 10.3238/artzebl.2012.0495
- Deutsches Ärzteblatt, Jg. 114, Heft 37, 15. September 2017
- Mutschler Arzneimittelwirkungen kompakt, Basiswissen Pharmakologie/ Toxikologie, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart (S. 90)
- Schandry, Biologische Psychologie, Beltz Verlag, Weinheim, Basel 2011, S. 452