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Einen Tic anders

Die Psychoedukation kann für Patienten mit Tic-Störung bereits eine Entlastung darstellen. © HbrH / iStock / Thinkstock

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Neurologie: Einen Tic anders

Schreien von obszönen Wörtern, permanentes Blinzeln der Augen, Grunzen, Grimassieren oder Schulterzucken sind Tics, die mehr oder weniger stark ausgeprägte Phasen annehmen können. Das Tourette-Syndrom ist die schwerste Form der Tic-Störung, doch auch leichte Ausprägungen machen Patienten bereits zu schaffen.

Bei den Tics handelt es sich um plötzliche Lautäußerungen (vokale Tics) oder unwillkürliche, mitunter sehr heftige Bewegungen (motorische Tics), die wiederholt und in gleicher Weise ablaufen, ohne jedoch eine bestimmte Rhythmik oder gar einen bestimmten Zweck aufzuweisen. Sie werden nach ihrer Qualität (motorisch oder vokal) sowie nach ihrer Komplexität (einfach oder komplex) eingeteilt. Tics erscheinen einzeln, in Serien, vorübergehend oder chronisch.

An komplexen motorischen Tics sind verschiedene Muskelgruppen beteiligt – Beispiele sind Augenblinzeln oder ständiges Schulterrucken. Treten komplexe motorische Tics zusammen mit komplexen vokalen Tics (Schreien, Grunzen, Schniefen oder lautes Räuspern) auf, liegt die heftigste Form der Tic-Störung, das sogenannte Tourette-Syndrom, vor.

Verlauf über die Lebensspanne

Häufig zeigen sich Tics bereits in der Kindheit, treten in der Pubertät sehr ausgeprägt auf, bevor sie dann sukzessive nachlassen. Ein Teil der Betroffenen leidet allerdings auch im Erwachsenenalter unter komplexen motorisch-vokalen Tics, die einen wechselhaften Verlauf mit symptomfreien sowie mit mehr oder weniger stark ausgeprägten Phasen annehmen. Als Ursache werden Abweichungen in den motorischen und somatosensorischen Bahnen zwischen Thalamus, Kortex und Striatum diskutiert.

Typischerweise nehmen die Patienten vor dem Tic ein Gefühl war, anhand dessen sie erkennen, dass es zu einem Anfall kommt (engl.: premonitory urge). Diese Wahrnehmung, die sich durch eine innere Unruhe oder durch ein Kribbeln äußern kann, lässt im Anschluss wieder nach. Das Vorgefühl kann therapeutisch genutzt werden: Bemerken Patienten die Anzeichen, können sie den bevorstehenden Tic identifizieren und willentlich unterdrücken.

Verschiedene Behandlungsansätze

Die Psychoedukation, also die Beratung und Aufklärung rund um das Krankheitsbild, kann für Patienten mit Tic-Störung bereits eine Entlastung darstellen. Im Rahmen der Verhaltenstherapie gilt zum einen das Verfahren des Habit Reversal Trainings (HRT) als effektiv, zum anderen die Technik des Exposure and Response Prevention Trainings (ERPT).

Ersteres beinhaltet das Erlernen adäquater Selbstwahrnehmung und die Unterbrechung von Verhaltensketten durch alternative Verhaltensweisen. Die ERPT-Methode zielt hingegen darauf ab, den Gedanken abzulegen, dass dem Vorgefühl stets ein Anfall folgen muss. Laut Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) gelten atypische Antipsychotika als wirksame Behandlungsmöglichkeit von Tics.

Es kann jedoch aufgrund der unzureichenden Studienlage keine Substanz als Mittel der Wahl benannt werden – häufig werden die Wirkstoffe Sulpirid, Aripiprazol oder Risperidon eingesetzt. Für die Indikation der Tic-Störung sind die Medikamente allerdings nicht zugelassen und werden somit „Off-Label" verordnet.

In einer randomisiert-kontrollierten Studie zeigte sich, dass starke Ausprägungen des Tourette-Syndroms durch das Verfahren der tiefen Hirnstimulation (THS) gelindert wurden. Verbesserungen gab es insbesondere in Bezug auf motorische Tics, weniger reduzierte sich die Belastung durch vokale Attacken, so dass die Lebensqualität der Patienten erheblich zunahm.

Martina Görz


Quellen: 

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