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Frau starrt auf ihr Smartphone.

Internetabhängigkeit kann schwerwiegende gesundheitliche und psychische Probleme verursachen. © fizkes / iStock / Getty Images Plus

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Internetsucht: Formen und Diagnostik suchtartigen Internetverhaltens

Im ersten Teil zum Thema „Internetsucht“ wurde die allgemeine Problematik erläutert. Es wurde betont, dass nicht die Technologie selbst abhängig macht, sondern das individuelle Verhalten der Nutzer:innen. Die Forschung orientiert sich am suchtartigen Verhalten bei Computerspielen und sieht internetbezogene Störungen als Form von Verhaltenssüchten. Im zweiten Teil geht es nun um die Auswirkungen eines suchtartigen Internetverhaltens und welche Diagnosemöglichkeiten es gibt.

Formen des suchtartigen Internetverhaltens

Neben Computerspielen gibt es jedoch zahlreiche digitale Verhaltensweisen wie beispielsweise die unersättliche Nutzung von Internet-Seiten mit sexuellen Inhalten, die ständige aktive Verfügbarkeit in Social Media oder die Gier nach Online-Shopping.

Manche Betroffene von solchen digitalen Abhängigkeiten verbringen dann täglich acht oder gar mehr Stunden im Internet und in sozialen Netzwerken, wohlgemerkt nicht beruflich, sondern privat. Gleichzeitig vernachlässigen sie wichtige persönliche Lebensbereiche. Dann drohen unter anderem der Verlust des Arbeitsplatzes, Probleme in der Schule, die Vernachlässigung von Familie und Freunden, Trennung, gar Verschuldung.

Körperliche und psychische Schäden einer krankhaften Internetabhängigkeit

Internetabhängigkeit kann sowohl körperliche als auch psychische Schäden verursachen.

Körperliche Gesundheit: Der übermäßige Gebrauch von Computern und anderen digitalen Endgeräten kann zu einer Vielzahl von körperlichen Beschwerden wie Rückenschmerzen, Augenbelastung, Seh- und Schlafstörungen, Übergewicht, aber auch zu schmerzhaften, auch entzündlichen, Beschwerden in Fingern und im Handgelenk, des Unterarms, der Ellenbogen, Schultern und des Nackens führen. Letztere werden landläufig oft als „Maus-Arm“ oder „Gaming-Daumen“ bezeichnet.

Fachkreise sprechen dann vom RSI-Syndrom, dem Repetitive Strain Injury. Je länger die schmerzhaften Symptome andauern, umso langwieriger ist die Therapie. Zusätzlich spielt wie bei allen Abhängigkeitserkrankungen die Komorbidität, das heißt, das Hinzukommen von weiteren psychischen, aber auch anderen organischen Erkrankungen eine wesentliche Rolle.

Psychische Gesundheit: Eine Internetabhängigkeit kann auch zu einer Reihe von schweren psychischen Problemen führen. Dazu zählen unter anderem Depressionen, Angstzustände, ADHS, Schlafstörungen und soziale Isolation durch Beziehungsverlust. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass bereits psychisch Vorerkrankte eher in eine internetbezogene Störung gleiten.

Wie lassen sich internetbezogene Störungen diagnostizieren?

Die Lübecker Universitätsklinik hat Diagnosekriterien7 entwickelt, um internetbezogene Störungen festzustellen:

Anhand des Diagnostischen und Statistischen Manual der American Psychiatric Association wurden neun Kriterien für die „Internet Gaming Disorder“ identifiziert. Diese Diagnosekriterien wurden auf andere übersteigerte Internetanwendungen übertragen wie zum Beispiel die Nutzung sozialer Netzwerke, die Nutzung von Internet-Pornografie, vermehrtes Kaufen im Internet und vermehrte Recherche-Aktivitäten.

Die folgenden neun Kriterien finden laut der vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten Arbeitsgruppe DIA-NET an der Lübecker Uni-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie bei der Diagnostik Anwendung7:

  1. Starke gedankliche und emotionale Eingenommenheit durch internetbezogene Aktivitäten
  2. Entzugserscheinungen: Auftreten aversiver Zustände wie Unruhe, Angst oder Traurigkeit bei verhinderter Onlinenutzung
  3. Toleranzentwicklung: Steigerung der Häufigkeit und/oder Intensität der Onlineaktivitäten
  4. Erfolglose Versuche bzw. anhaltendes Verlagen, bestimmte Aktivitäten im Internet einzuschränken oder völlig aufzugeben
  5. Verlust an Interesse an anderen Aktivitäten aufgrund der Internetaktivität
  6. Exzessive Internetnutzung trotz negativer Konsequenzen (z.B. Leistungsabfall in Beruf/Schule, Übermüdung, Mangelernährung, Konflikte mit anderen)
  7. Täuschung anderer über das Ausmaß der Internetaktivitäten
  8. Nutzung von Internetaktivitäten, um negativen Stimmungen zu entkommen
  9. Gefährdung oder Verlust von Beziehungen, einer Arbeitsstelle oder ausbildungsbezogener bzw. beruflicher Möglichkeiten durch die Internetaktivitäten.
    (Quelle: DIA-NET)

Wenn mindestens fünf von neun Kriterien vorliegen, kann eine Internetabhängigkeit diagnostiziert werden. Aber auch schon bei drei bis vier erfüllten Kriterien gehen die Fachleute von einer problematischen Internetnutzung aus, die eine Beratung sinnvoll macht.

Nützliches Tool zum Selbsttest: Wer benötigt dringend digitales Detox?

Auf der Seite von DIA-Net kann jeder online den Test auf Vorliegen einer internetbezogenen Störung durchführen. Der Test dauert etwa 20 Minuten und ist anonym. Das Tool berechnet automatisch die Anzahl der erfüllten Kriterien.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Internetabhängigkeit schwerwiegende gesundheitliche und psychische Probleme verursachen kann, die einen erheblichen Einfluss auf das Leben haben können. Deshalb ist es wichtig, dass Menschen lernen, ihre Internetnutzung zu kontrollieren und gesunde Grenzen festzulegen, um eine Abhängigkeit zu vermeiden. Beim Auftreten von ausgeprägten negativen Konsequenzen der Internetnutzung sollte eine externe Unterstützung, Beratung oder Therapie erwogen werden, meinen die Fachleute.

Lesen Sie hier Teil 1 des Artikels „Ab wann ist das Verhalten krankhaft?„.

Beatrix Polgar-Stüwe


Quelle:
7 Diagnostik von Internetbezogenen Störungen; dia-net.com

Teil 1 des Artikels verpasst? Jetzt nachlesen!

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